Selbst für Experten ist es schwer, beim Konflikt in Libyen den Überblick zu behalten. Denn die international anerkannte Zentralregierung kontrolliert nur einen Teil des Landes. Gleichzeitig kämpft sie auch noch gegen zahlreiche Rebellengruppen und Milizen. Verkompliziert wird die Lage zudem dadurch, dass zahlreiche ausländische Staaten die verschiedenen Akteure unterstützen. Nun scheint es im Rahmen dieses Konflikts zu einem ethischen Tabubruch gekommen zu sein. Dies legt zumindest ein Bericht der Vereinten Nationen nahe. Demnach kam es im vergangenen Jahr zu einem bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Einheiten der regulären Regierung und einer Rebellengruppe. Dies alleine ist erst einmal nicht ungewöhnlich. Dann aber hat ein beteiligter Konvoi den Rückzug angetreten und wurde von einer autonomen Drohne verfolgt und angegriffen. Weil Informationen aus Kriegsgebieten aber immer recht schwer zu verifizieren sind, bleiben weitere Details noch unklar.


Bild: Armyinform.com.ua, CC BY 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/4.0>, via Wikimedia Commons

Im Normalfall geben menschliche Soldaten den Befehl zum Angriff

So ist bisher nicht bekannt, ob die Drohne tatsächlich Schaden angerichtet hat. Zumindest weiß man aber, dass es sich um die Drohne Kargu-2 des türkischen Herstellers STM handelte. Diese wird in der Regel als sogenannte „loitering weapon“ eingesetzt. Sie startet also zunächst ohne konkreten Auftrag und erhält dann erst bei Bedarf den Auftrag zum Angriff. Dies kann beispielsweise genutzt werden, um bestimmte Abschnitte zu bewachen. Im Normalfall kommt der Befehl zum Angriff aber auch weiterhin von menschlichen Soldaten. Bei der Kargu-2 besteht nun aber die Besonderheit, dass eine Software integriert wurde, die Erfahrungswerte sammelt. Auf diese Weise soll die Drohne immer besser entscheiden können, welches Ziel für einen Angriff geeignet ist. In dem von der UN geschilderten Fall soll die Kargu-2 nun diesen Erfahrungswerten gefolgt sein, ohne dass dies noch einmal von einem Menschen abgesegnet wurde. Es würde sich somit um den weltweit ersten Fall einer vollkommen autonom agierenden Waffe handeln.

Einige wichtige Einzelheiten sind noch nicht bekannt

Experten weltweit warnen immer wieder vor einer solchen Entwicklung. Neben ethischen Gesichtspunkten stellt sich dabei vor allem die Frage, wie gut die Systeme tatsächlich Angriffsziele identifizieren können. Und wie gut sie Fehleinschätzungen erkennen und korrigieren können. Bezogen auf die Situation in Libyen ist allerdings noch unklar, ob der autonome Einsatz bewusst durchgeführt wurde oder ob es sich gewissermaßen um ein Versehen handelte. So halten einige Experten es für möglich, dass die Drohne vorprogrammiert wurde und anschließend die Verbindung zur Bodenstation abriss. Somit würde es sich gewissermaßen nur um eine teilautonome Attacke handeln. Auch ferngesteuerte Drohnen sind allerdings schon eine gefährliche Waffe und können ganze Kriegsverläufe beeinflussen. Zu sehen war dies unter anderem beim Konflikt um die Region Bergkarabach, wo Aserbaidschan nicht zuletzt dank teuer eingekaufter Hightech-Drohnen die armenische Armee besiegte.


Via: Der Standard

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