Die Suche nach praktikablen Konzepten für Fusionsreaktoren gilt als eine der größten ingenieurwissenschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Besonders schwierig ist der Schutz empfindlicher Bauteile vor den extremen Temperaturen des Plasmas. Ein neu entwickeltes KI-Modell mit dem Namen HEAT-ML bringt hier nun einen entscheidenden Fortschritt: Es kann die bislang rechenintensive Bestimmung sogenannter „magnetischer Schatten“ innerhalb von Millisekunden erledigen und beschleunigt damit den Konstruktionsprozess von Fusionsanlagen um Größenordnungen. Symbolbild HEAT-ML beschleunigt Design für Fusionsreaktoren radikal Im Maschineninneren eines Fusionsreaktors herrschen Temperaturen, bei denen gewöhnliche Materialien schlichtweg in Flammen aufgingen. Dennoch müssen empfindliche Bauteile geschützt werden – etwa durch strategisches Platzieren im magnetischen Schatten anderer Komponenten. Bislang musste jede Simulation dafür rund 30 Minuten rechnen. Diese Aufgabe übernimmt nun das neuronale Netz HEAT-ML, das innerhalb weniger Millisekunden liefern kann und damit den bisherigen Flaschenhals im Designprozess praktisch eliminiert. Die Entwickler:innen von HEAT-ML – eine öffentlich-private Kooperation zwischen Commonwealth Fusion Systems (CFS), dem Princeton Plasma Physics Laboratory (PPPL) und dem Oak Ridge National Laboratory – haben das KI-Modell mit rund 1.000 Simulationsergebnissen ihres Vorgängertools HEAT trainiert. Das ursprüngliche HEAT-Tool arbeitet extrem minutiös und bewertet, welche Bereiche im Inneren eines tokamakartigen Fusionsreaktors durch andere Komponenten im „magnetischen Schatten“ liegen. Das ist von entscheidender Bedeutung, weil solche Schattenzonen Schlüsselstellen für Schutzmaßnahmen und Materialplatzierung darstellen. Doch jede dieser Berechnungen war bisher ein Geduldsspiel – mit HEAT-ML ist jetzt alles im Millisekundenbereich machbar. Dabei betonte Michael Churchill, Co-Autor der entsprechenden Publikation und Leiter des digitalen Engineerings am PPPL, dass „man aus einem bestehenden Code einen KI-Surrogat ableiten kann, das die Geschwindigkeit stark erhöht und interessante Möglichkeiten für Steuerung und Szenarienplanung öffnet“. Ähnlich ließ es Doménica Corona Rivera verlauten: „The plasma-facing components… can melt or damage these elements. The worst thing that can happen is that you would have to stop operations.“ Mit HEAT-ML soll genau das verhindert werden. Anwendung im SPARC-Reaktor und darüber hinaus Das derzeitige Anwendungsgebiet von HEAT-ML liegt in einem zentralen, besonders hitzeintensiven Bereich des Tokamak-Prototyps SPARC. Dabei fokussiert sich das Modell auf 15 Hitzekacheln am Boden des Reaktors – eben jene Teile, die der Plasmahitze im Extremen ausgesetzt sind. Durch die rapide Vorhersage der Schattenbereiche können Forscher:innen die Platzierung von hitzebeständigen Komponenten deutlich optimieren und damit das Risiko spontaner Abschaltungen reduzieren. Langfristig ist aber mehr geplant: Die Entwickler:innen streben an, HEAT-ML zu einer universellen Methode auszubauen, die unabhängig von Form oder Größe des Reaktors funktioniert – egal ob Divertor, innere Wände oder andere komplexe Plasma-zugeneigte Bauteile. Das Ziel ist klar: ein toolgestützter Entwurf und Betrieb künftiger Fusionsreaktoren, der flexibel, robust und deutlich schneller realisierbar ist als bisher. Fusion schneller, smarter, besser Es ist mehr als bloße Geschwindigkeit – es ist ein Paradigmenwechsel im Design- und Betriebsprozess von Fusionsanlagen. Indem HEAT-ML Berechnungen tausendfach rascher ausführt, ermöglicht es eine deutlich zügigere Modellierung, Simulation und letztlich auch Betriebsanpassung im Echtzeitmodus. Schnellere Iterationszyklen, mehr Flexibilität im Entwurf, geringeres Risiko für Materialversagen – all das rückte nun in greifbare Nähe. Damit rückt auch die Vision von sauberer, nahezu unbegrenzter Energieversorgung durch Kernfusion ein Stück näher. Derlei Fortschritte sind nicht nur technische Meilensteine, sondern auch Bausteine für die Machbarkeit eines kommerziellen Fusionskraftwerks. Und nicht ganz nebenbei: Sie zeigen, wie KI gerade dort, wo extreme Physik und komplexe Geometrien zusammentreffen, einen echten Unterschied macht. via Innovation Newsnetwork Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter