Der in Greifswald betriebene Fusions-Testreaktor Wendelstein 7-X hat einen neuen Höchstwert für den Energieumsatz des Plasmas erreicht. Die Anlage lief während des Versuchs acht Minuten lang und erreichte dabei einen Umsatz von 1,3 Gigajoule. Dabei erreichte das Plasma im Reaktor einen neuen Rekord für die Entladungsdauer und Heizleistung. Hinter diesem Rekord stehen umfangreiche Umbauten am Reaktor, bei denen vor allem das Heizsystem und die Kühlung der Reaktorwand verbessert wurde.


Bild: MPI für Plasmaphysik / Jan Hosan

 

Wendelstein 7-X: Fusionsenergie aus Deutschland

Kernfusion wird als Energielieferant der Zukunft gehandelt. Es gibt verschiedene Ansätze, die auf unterschiedliche Reaktortypen setzen, darunter etwa Laserfusions-Anlagen und Reaktoren, die auf einen Plasmaeinschluss durch starke Magnetfelder setzen, darunter sogenannte Tokamak-Anlagen wie etwa der Großreaktor ITER in Frankreich und Stellator-Reaktoren, zu denen auch der Wendelstein 7-X zählt. Tatsächlich handelt es sich beim Wendelstein-Stellator um die weltweit größte Fusionsanlage ihrer Art.


In dem Stellator erzeugt ein Ring aus 50 supraleitenden Magnetspulen ein in sich verwundenes Magnetfeld, dessen Aufgabe es ist, das heiße Fusionsplasma einzuschließen. Reaktoren vom Typ Tokamak haben die Limitierung, dass sie Plasma nur in kurzen Intervallen zur Fusion bringen können. Ein Stellator-Reaktor kann dagegen nur im Dauerbetrieb laufen, was ihn zumindest in der Theorie besser für den Betrieb in einem Kraftwerk geeignet macht. Dies unter Beweis zu stellen ist eines der Ziele, wenn nicht gar das Hauptziel, des Wendelstein 7-X.

Bereits im Februar 2016 hat der Stellator in Greifswald das erste Mal Wasserstoff-Plasma erzeugt. Im Juni 2018 wurde ein Weltrekord für das Fusionsprodukt erreicht – eine Kombination aus Dichte, Einschlusszeit und Hitze des Plasmas. Danach wurde der Reaktor drei Jahre lang stillgelegt und umgebaut. Unter anderem wurde dabei eine Wasserkühlung der Wandelemente und einem erweiterten Heizsystem ausgestattet, wodurch in dem Reaktor doppelt so viel Energie in das Plasma eingebracht werden kann wie bisher.

Reaktor erreicht neuen Rekord

Nach dem Umbau wurde nun ein weiterer Meilenstein erreicht. Physiker:innen gelang es erstmals, in der Anlage einen Energieumsatz von 1,3 Gigajoule zu messen, was dem 17-fachen des Umsatzes in der Zeit vor dem Umbau entspricht. Während des Versuchs wurde eine durchschnittliche Heizleistung von 2,7 Megawatt erreicht. Die Entladung des Plasmas hielt über 480 Sekunden an, was ein neuer Rekord für den Wendelstein 7-X ist und weltweit zu den Spitzenwerten zählt. „Wir tasten uns jetzt an immer höhere Energiewerte heran. Dabei müssen wir Schritt für Schritt vorangehen, um die Anlage nicht zu überlasten und zu beschädigen„, erklärt Thomas Klinger, der am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald beschäftigt ist.

Den Rekord ermöglichte vor allem das dreiteilige System, mit dem das Plasma geheizt wird. Der erste Teil des Systems ist eine Heizung, die mit Neutralteilcheninjektion arbeitet. Bei diesem Verfahren wird ein Strahl beschleunigter Wasserstoffatome ins Plasma eingeschossen, die ihre Energie durch Kollisionen an die Plasmateilchen übertragen und dadurch Hitze entstehen lassen. Die zweite Komponente ist eine Heizung mit Radiowellen, die Ionen im Plasma zum Schwingen bringen und es so nach einem ähnlichen Prinzip wie in einer Mikrowelle aufheizen.

Die dritte Komponente schließlich ist eine Mikrowellen-Elektronenheizung. Diese funktioniert ähnlich wie die Radiowellen-Heizung, setzt allerdings auf Mikrowellen, die die Elektronen des Plasmas in Schwingungen versetzen. Diese Komponente ist für den Energieumsatz während der Fusion besonders wichtig, da mit ihr über einen Zeitraum von mehreren Minuten hinweg große Energiemengen auf das Plasma übertragen werden können.

657 unabhängige Kühlkreisläufe kühlen die Reaktorwand

Von großer Bedeutung für den Betrieb des Reaktors sind außerdem besonders hitzebeständige, gekühlte Divertor-Prallplatten, die Teil der Innenwand von Wendelstein 7-X sind. Sie müssen nicht nur extrem hohen Temperaturen standhalten, sondern sollen gleichzeitig die vom Plasma getragenen Energiemengen und Teilchen abführen, sodass deren Kontakt mit der Gefäßwand vermieden wird, was das Plasma verunreinigen würde.

Im Rahmen des Umbaus wurden 120 neue Divertor-Module samt Kühlsystem eingebaut. Nun leiten 657 von einander unabhängige Kühlkreise die durch die Reaktion entstehende Hitze über ein Rohrsystem von insgesamt 6,8 Kilometer länge ab. Wendelstein 7-X kann dank dieses überarbeiteten Kühlsystems nun mit deutlich höheren Plasmaenergien betrieben werden.

Die Umbauten waren zudem erst ein erster Schritt. Innerhalb weniger Jahre, so die Physiker:innen, soll der Energieumsatz des Reaktors auf 18 Gigajoule gesteigert werden. Dabei soll das Plasma insgesamt für 30 Minuten stabil gehalten werden können.

via Max-Planck-Institut für Plasmaphysik

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