Am 27. Januar 1959 brachen zehn Teilnehmer im nördlichen Ural auf Skiern zu einer Expedition auf. Ein Teilnehmer kehrte schon am nächsten Tag um. Für die neun anderen Personen endete das Abenteuer in einer Katastrophe. So fand eine Rettungsmission rund einen Monat später die neun Leichen am Rande des Bergs Cholat Sjachl. Bis heute konnte allerdings nicht geklärt werden, wie die Menschen starben. So waren einige der Leichen nur mit Unterwäsche bekleidet. Andere wiesen schwere Brust- und Schädelverletzungen sowie Knochenbrüche auf. Die von der sowjetischen Führung damals sofort eingesetzte Untersuchung konnte dies nicht erklären. Nach rund drei Monaten war im Abschlussbericht lediglich von einer „massiven Naturgewalt“ die Rede. Erst im Jahr 2019 wurden die Ermittlungen von der russischen Generalstaatsanwaltschaft wieder aufgenommen.


Bild: Gaume/Puzrin

Moderne Lawinenmodelle könnten eine Erklärung bieten

Johan Gaume von der Polytechnischen Hochschule Lausanne (EPFL) ist ein weltweit anerkannter Lawinenexperte. Er schaute sich den mysteriösen Fall nun noch einmal an. Schon zu Sowjetzeiten galt eine Lawine als mögliche Ursache für das Unglück. Allerdings sprachen einige Tatsachen gegen diese Theorie. So hatte es am Abend zuvor nicht geschneit und der Hang oberhalb der Zelte galt als zu flach für einen Lawinenabgang. Auch die bei den Leichen festgestellten Verletzungen galten als eher untypisch. Allerdings standen den sowjetischen Fachleuten damals auch noch keine modernen Lawinensimulationen zur Verfügung. Gaume und seine Mitarbeiter nutzten nun neu entwickelte Modelle, um den Verlauf des Unglücks noch einmal zu rekonstruieren. Dabei stellten sie fest, dass eine Verkettung von unglücklichen Umständen zum Tod der Expeditionsteilnehmer geführt haben könnte.

Heftige Fallwinde drückten den Schnee nach unten

So deuteten einige Funde am Unglücksort darauf hin, dass am Abend zuvor eine Grube in die Schneedecke gegraben wurde. Dies könnte geschehen sein, um die Zelte besser gegen den Wind zu schützen. Hinzu kam ein sogenannter katabatischer Wind. Dabei handelt es sich um starke Fallwinde, die hangabwärts gleiten. Dadurch sammelte sich oberhalb der Zelte immer mehr Schnee an – ohne dass die Expeditionsteilnehmer dies mitbekamen. Irgendwann entstand dann ein Riss und es löste sich ein Schneebrett. Bei dieser Art von Lawine bleibt die obere Schneedecke erhalten und rutscht als Ganzes nach unten. Die Besonderheit besteht darin, dass ein Abgang auch auf recht flachen Hängen möglich ist. Zusammenfassend gehen die Forscher also davon aus, dass die angeschnittene Schneedecke im Zusammenspiel mit den ungewöhnlichen Wetterbedingungen zu dem Unglück führte.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren


Video laden

Alternative Theorien sind deutlich weniger wahrscheinlich

Endgültig geklärt ist die Frage, was in der schicksalhaften Nacht am Djatlow-Pass tatsächlich geschah, aber noch nicht. Denn die Forscher haben lediglich das wahrscheinlichste Szenario entwickelt. Tatsächlich gibt es einige Funde am Tatort die auch mit der neuen Theorie nur schwer zu erklären sind. Selbst mit den modernen Erkenntnissen der Lawinenforschung lässt sich bisher aber keine bessere Erklärung finden. Zumindest dürfte das von Gaume und seinen Kollegen entworfene Szenario aber wahrscheinlicher sein als einige in der Vergangenheit aufgestellte Theorien. So war teilweise von einem Yeti-Angriff die Rede. Auch militärische Geheimexperimente wurden immer wieder als Erklärung ins Spiel gebracht. Nach dem Ende der Sowjetunion fand sich in den staatlichen Archiven darauf aber kein Hinweis.

Via: ETH Zürich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.