Im Rahmen des Klimawandels wird die Kühlung von Gebäuden immer bedeutsamer. Denn zum einen überhitzen Städte aufgrund ihrer versiegelten Bauweise besonders stark, zum anderen verursacht die dadurch notwendige Gebäudekühlung einen hohen Energieverbrauch. Forscher:innen haben eine Gebäudefassade entwickelt, die bei Regen das Regenwasser aufnimmt und dieses an heißen Tagen durch Verdunstungskühlung wieder abgibt. So können nicht nur Gebäude gekühlt werden, sondern quasi nebenbei auch die durch Hochwasser und Starkregen verursachten Schäden und die damit verbundenen Kosten verringert werden. Die Fassaden könnten gerade in dicht bebauten Stadtgebieten dem Stadtklima deutlich zugute kommen.


Bild: Sven Cichowicz/ Universität Stuttgart

Hochhäuser tragen zu aufgeheizten Städten bei

Hochhäuser mit großen Glasfassaden sehen modern und gut aus. Aber sie nehmen an heißen Tagen auch enorme Mengen Energie auf und können dann unter den Strahlen der Sonne so heiß werden, dass darauf Spiegeleier gebraten werden können. Das Resultat: In dicht bebauten Stadtgebieten können die Temperaturen lokal um 10 Grad höher sein als in urbanen Parks. Asphalt, Glasfassaden, Beton und andere menschengemachte Oberfläche speichern die Wärme der Sonnenstrahlen und erwärmen sich entsprechend, während Grünflächen Wasser aufnehmen und bei dessen Verdunstung einen Kühleffekt erzeugen. Versiegelte Flächen führen außerdem dazu, dass Wasser immer schwieriger abfließen kann, sodass neben dem Hitze- auch das Hochwasserrisiko steigt.

Eine mögliche Lösung wäre der Ausbau der Kanalisationssysteme. Dies würde aber nicht nur einen enormen baulichen Aufwand und entsprechende Kosten bedeuten, sondern ist auch in Zeiten immer knapper werdenden Ressourcen nicht unbedingt die beste Idee.


Fassade kühlt Gebäude

Ein Team rund um Werner Sobek von der Universität Stuttgart hat deshalb die erste hydroaktive Gebäudefassade als Alternative entwickelt. „Hydroaktive Elemente stellen bei minimalem Ressourceneinsatz eine effektive Fassadenlösung zur Neutralisierung des städtischen Hitze-Insel-Effektes dar„, so Sobek.

Die sogenannten „HydroSKINs“ basieren auf der Idee, dass die Fassadenelemente Teile des Regenwassers aufnehmen und speichern. So kann das Wasser dann an heißen Tagen verdunsten und erzeugt einen Kühleffekt. Kernelement der neuartigen Fassade sind zwei Textillagen, die mit Hilfe von Fäden auf Abstand gehalten werden. So kann wird eine hohe Luftzirkulation gewährleistet, die die Verdunstung von Wasser fördert und den Kühleffekt der Fassade verstärkt. An der Außenseite befindet sich eine wasserdurchlässige Textilhülle, die nahezu allen Regentropfen das Eindringen ermöglicht und gleichzeitig als Schutz vor Verunreinigungen fungiert. Auf der Innenseite wiederum befindet sich eine Folie, die das Wasser in das untere Profilsystem ableitet, von wo aus es in einem Reservoir gespeichert oder direkt im Gebäude genutzt werden kann. An heißen Tagen wird das Wasser dann zurück in die Fassadenelemente geleitet, wo es verdunsten kann.

Hydroaktive Fassaden besonders gut für Hochhäuser geeignet

Derzeit werden erste Elemente der neuen Fassade am weltweit ersten adaptiven Hochhaus auf dem Campus der Universität Stuttgart getestet. „Die Ergebnisse sind vielversprechend. Bereits in Laboruntersuchungen konnten wir circa zehn Grad Temperaturreduktion durch den Effekt der Evaporation nachweisen. Die ersten Messungen am Hochhaus Anfang September weisen auf ein noch deutlich höheres Kühlpotenzial hin„, so Christina Eisenbarth, die Teil des Teams ist.

Besonders Hochhäuser haben ein hohes Potential zur Anwendung der hydroaktiven Fassaden. Zum einen weisen sie eine große Fassadenfläche auf, zum anderen trifft Regen mit zunehmender Höhe als Schrägregen auf vertikale Oberflächen. Ab 30 Metern Gebäudehöhe kann so mehr Wasser über die Fassade aufgenommen werden. Außerdem verstärken die höheren Windgeschwindigkeiten in der Höhe die Verdunstungseffekte. Des Weiteren entsteht ein kühler Luftstrom, der die Umgebung kühlt. Die Fassadenelemente sind zudem sehr leicht und können so sowohl an Neubauten als auch nachträglich an bestehenden Gebäuden angebracht werden.

Dieses Fassadensystem stellt eine artifizielle Retentionsfläche zur Regenwasserrückhaltung und -verdunstung in der Gebäudefassade dar, die durch ihre optischen und haptischen Qualitäten nicht nur unglaublich schön ist, sondern zugleich einen Meilenstein für die Anpassung der gebauten Umwelt an die akuten Herausforderungen unserer Zeit darstellt„, so Eisenbarth.

via Universität Stuttgart, Civil Engineering Design

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