Die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) und ein Konsortium aus Industrie und Forschung entwickeln ein Konzept für einen horizontal startenden Hyperschallraumgleiter, der den konventionellen Raketenzugang zum Weltraum ergänzen soll. Ziel ist ein wiederverwendbares Flugzeug-ähnliches System, das von einer normalen Startbahn abhebt, hyperschallgeschwindigkeiten erreicht und so den Zugang zu suborbitalen oder potenziell orbitalen Bahnen ermöglicht. Das Vorhaben verfolgt sowohl technische als auch strategische Fragestellungen: Effizienzsteigerung, Reduktion von Kosten und Emissionen sowie Stärkung der europäischen Unabhängigkeit in der Raumfahrtinfrastruktur. Bild: Frazer-Nash Technische Grundlagen und Antriebsprinzipien Grundlage des Konzepts ist ein Triebwerkssystem, das atmosphärische Luft bei sehr hohen Eintrittsgeschwindigkeiten nutzen kann. Wesentliche Herausforderung ist das Management der dabei entstehenden hohen Temperaturen und Drücke. Hier kommt eine Vorkühltechnologie zum Einsatz, die die einströmende Luft in sehr kurzer Zeit stark abkühlt, sodass Triebwerkseinläufe und Komponenten nicht durch die thermische Belastung zerstört werden. Durch diese Abkühlung lassen sich Übergänge zwischen turbojet-, ramjet- und scramjet-ähnlichen Betriebszuständen ermöglichen, was Beschleunigungen in Richtung Hyperschall (etwa Mach 5 und darüber) erlaubt. Das allgemein verfolgte Ziel eines Single-Stage-to-Orbit-(SSTO-)Ansatzes erfordert darüber hinaus einen sehr günstigen Massen- und Energiebilanzpunkt: Nutzlast, strukturelle Masse, Treibstoff und Antrieb müssen so aufeinander abgestimmt sein, dass das Fahrzeug ohne Abwurf mehrerer Stufen die gewünschte Flugbahn erreichen kann. Systemintegration und Betriebslogistik Ein horizontaler Start bietet gegenüber traditionellen vertikalen Raketenstarts logistische Vorteile: vorhandene Flughafeninfrastruktur kann genutzt werden, Startvorbereitungen sind potenziell schneller und die Wiederverwendung des Flugzeugs reduziert langfristig Kosten pro Start. Technisch erfordert dies jedoch eine enge Integration von Flugzeug- und Raumfahrzeugtechnik: Karbonfaser- und Verbundwerkstoffe für die Struktur, thermische Schutzsysteme für wiederholte Hyperschallbelastungen und ein digitales Flugmanagement, das Übergänge zwischen atmosphärischem Flug und suborbitaler Phase sicher steuert. Zudem sind auch Bodenabläufe, Betankungskonzepte, Wartungszyklen und Zulassungsprozesse neu zu denken, da Betriebsfrequenz und Zuverlässigkeitsanforderungen sich deutlich von denen konventioneller Flugzeuge unterscheiden. Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.Mehr erfahren Video laden Vimeo immer entsperren Wissenschaftliche und strategische Perspektiven Aus wissenschaftlicher Sicht eröffnet ein wiederverwendbarer Hyperschallraumgleiter neue Optionen für kurzfristig verfügbare suborbitale Forschungseinsätze, für schnelle Nachführung von Erderkundungssatelliten und für technologische Demonstratoren. Die Potenziale liegen in einer höheren Flexibilität des Zugangs zur oberen Atmosphäre und zum niedrigen Erdorbit sowie in der Möglichkeit, Experimente häufiger und kostengünstiger durchzuführen. Strategisch betrachtet adressiert das Programm Fragen der Resilienz und Unabhängigkeit: Die Entwicklung eigenständiger europäischer Kapazitäten reduziert Abhängigkeiten von externen Startdiensten und schafft Handlungsspielräume für Forschung, Wirtschaft und Verteidigung. Die technische Realisierung bleibt herausfordernd. Materialwissenschaftliche Fortschritte, robuste Vorkühlverfahren und wirtschaftlich tragfähige Betriebsmodelle sind Voraussetzung. Sollte sich der Ansatz in Demonstratoren bewähren, könnte dies einen Paradigmenwechsel im Zugang zum Weltraum markieren: weg von einmaligen Trägerraketen hin zu flexiblen, flugzeugähnlichen Systemen mit erhöhter Wiederverwendung und schnelleren Reaktionszeiten für wissenschaftliche und kommerzielle Anwendungen. via Frazer-Nash Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter