In der italienischen Lombardei, im französischen Elsass und im US-Bundesstaat New York sind die Gesundheitssysteme inzwischen an ihre Grenzen gestoßen. Die Zahl der Corona-Patienten mit schweren Krankheitsverläufen ist dort so hoch, dass eine Behandlung teilweise nur noch mit Einschränkungen möglich ist. Dabei handelt es sich in allen drei Fällen um Industrieländer mit einem gewissen Reichtum und einer gut ausgebauten Infrastruktur. Der Internationale Währungsfonds hat in einem eindringlichen Appell nun vor den Folgen der Corona-Krise am anderen Ende der wirtschaftlichen Nahrungskette gewarnt. Demnach droht in vielen Entwicklungsländern eine humanitäre Katastrophe. IWF-Generalsekretärin Kristalina Georgiewa benannte dafür während einer Pressekonferenz in Genf fünf Gründe, die sich teilweise auch gegenseitig verstärken:


Auch die nigerianische Metropole Lagos könnte von den Folgen der Corona-Krise betroffen sein. Bild: Zouzou Wizman, Creative Commons Attribution 2.0 Generic, via Wikimedia Commons

Diese fünf Faktoren beschleunigen die Krise:

1. Die Gesundheitssysteme sind oft nur rudimentär ausgebaut: Sollte es tatsächlich zu einer größeren Zahl an Infektionen kommen, sind viele Entwicklungsländer darauf schlicht nicht vorbereitet. In Nigeria gibt es beispielsweise im ganzen Land nur sechs Labore mit insgesamt 200 Mitarbeitern, die Corona-Tests auswerten könnten. Rein rechnerisch wäre damit jeder Labor-Mitarbeiter für eine Million Einwohner zuständig. Auch die Zahl der Ärzte ist in vielen afrikanischen Städten zu niedrig.

2. Bereits existierende Epidemien sind noch nicht bewältigt: Ebola bestimmte vor einiger Zeit weltweit die Schlagzeilen. Die tödliche Krankheit konnte bisher zwar noch nicht besiegt, aber doch weitgehend eingedämmt werden. Grund zur Entwarnung ist dies aber nicht. Denn insbesondere der afrikanische Kontinent hat mit einer Reihe von weiteren Epidemien zu kämpfen: Von der Malaria über das Gelbfieber bis hin zu HIV-Erkrankungen. Selbst die eigentlich durch Impfungen zu verhindernde Tuberkulose tritt dort noch millionenfach auf.


3. Klassische Formen der Eindämmung sind nicht umsetzbar: Die in vielen Industriestaaten verfolgten Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus sind in vielen Entwicklungsländern nicht so einfach zu kopieren. So fehlt es in den stark gewachsenen Millionenstädten oftmals schlicht an Platz für den notwendigen Mindestabstand. Viele Menschen arbeiten zudem ohne feste Anstellung und sind auf die täglichen Einnahmen angewiesen. Staatliche Hilfe wäre hier deutlich schwieriger zu organisieren als etwa in Deutschland.

4. Investoren ziehen sich zurück: Das Phänomen ist bereits aus vergangenen Wirtschafts- und Finanzkrisen bekannt: In guten Zeiten investieren viele Anleger weltweit. Kommt es aber zu einem Crash wird das Geld abgezogen und in vermeintlich sichere Häfen gelenkt. Davon sind vor allem Entwicklungsländer betroffen, die sehr stark auf ausländische Investitionen angewiesen sind. So wurden alleine in den letzten Wochen mehr als 90 Milliarden Dollar aus Schwellen- und Entwicklungsländern abgezogen. Geld, das der Wirtschaft dort jetzt fehlt.

5. Die Exporte sind eingebrochen: Gleichzeitig leiden viele Staaten darunter, dass sie ihre Produkte nicht mehr exportieren können. So ist der Ölpreis auf dem Weltmarkt eingebrochen, was in einigen Ländern zu massiven Einnahmeausfällen geführt hat. Selbiges gilt für eine Reihe weiterer Rohstoffe. Aber auch bei anderen Produkten – etwa Blumen aus Kenia – ist die weltweite Nachfrage stark zurückgegangen. Die globalen Reisebeschränkungen treffen zudem vor allem Länder, die sich auf den Tourismus spezialisiert haben.

Die Folgen könnten dramatisch sein

Welche Folgen die Corona-Krise in den einzelnen Staaten haben wird, lässt sich aktuell noch nicht im Detail abschätzen. Klar ist aber: Ungeschoren dürfte kaum ein Land davon kommen. Selbst das eigentlich weit entwickelte Südafrika muss mindestens mit einer schweren Rezession rechnen. Experten gehen davon aus, dass die Corona-Krise in Entwicklungsländern auf der einen Seite viele Todesopfer zur Folge haben wird. Gleichzeitig werden zudem Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. Dies wiederum dürfte die Flüchtlingsströme anschwellen lassen – was die Probleme für die Gesundheitssysteme weiter verschärft. Im schlimmsten Fall könnte so ein tödlicher Kreislauf in Gang gesetzt werden. IWF-Chefin Georgiewa sprach daher bereits von der „dunkelsten Stunde der Menschheit in meiner Lebenszeit“ und rief die Weltgemeinschaft zu entschiedenen Gegenmaßnahmen auf.

Was die Weltgemeinschaft jetzt tun kann

Schon jetzt haben mehr 90 Regierungen beim Internationalen Währungsfonds Finanzhilfen beantragt. Gleichzeitig ist auch die Weltbank aktiv und wird in den nächsten Monaten rund 160 Milliarden Dollar in Projekte zur Bewältigung der Krise investieren. Diese bewährten Institutionen müssen nun finanziell so ausgestattet werden, dass sie in der Lage sind, den lokalen Regierungen bei der Bewältigung der Krise unter die Arme zu greifen. Tatsächlich ist beispielsweise das IWF-Budget für Nothilfe bereits verdoppelt worden. Damit können etwa improvisierte Krankenhäuser errichtet oder Schutzkleidung angeschafft werden. Gleichzeitig wird es aber auch darum gehen, die Entwicklungsländer von strukturellen Problemen zu entlasten. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat daher einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt ins Spiel gebracht. Unterstützung erhielt er dafür auch von der französischen Regierung. Letztlich dürfte sich eine humanitäre Katastrophe also nur durch den Einsatz von viel Geld noch verhindern lassen.

Via: FAZ

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