In den vergangenen Monaten rückte ein klassisches Science-Fiction-Konzept näher an die Realität heran: die direkte Nutzung von Sonnenenergie aus dem All zur Versorgung irdischer Stromnetze. Der Grundgedanke ist einfach, aber technologisch anspruchsvoll: Oberhalb der Erdatmosphäre steht die Sonne nahezu ununterbrochen am Himmel, ohne Tag-Nacht-Rhythmus und ohne atmosphärische Dämpfung. Satelliten, die dort riesige Solarmodule tragen, könnten diese Energie einfangen und sie über elektromagnetische Strahlen gezielt zu Empfängern auf der Erde schicken. Während solche Ideen schon seit Jahrzehnten in Fachkreisen diskutiert werden, machen derzeit neue Entwicklungen Hoffnung, dass das Konzept der space-to-grid-Energieversorgung tatsächlich ausprobiert und vielleicht sogar kommerziell genutzt werden könnte. Bild: Overview Energy Energie aus dem All: Per elektromagnetischer Strahlung auf die Erde Im Zentrum dieses Konzepts stehen geostationäre Satelliten, die in etwa 36 000 Kilometern Höhe stationär über der Erde bleiben und dort Sonnenlicht einfangen. Die statische Position über einem Punkt auf der Erde und die permanente Belichtung durch die Sonne sind entscheidende Vorteile gegenüber terrestrischen Solaranlagen, die regelmäßig von Dunkelheit, Wolken oder saisonalen Schwankungen betroffen sind. Energie kann von solchen Plattformen kontinuierlich erzeugt werden, theoretisch 24 Stunden am Tag und an jedem Tag des Jahres. Ein zentraler technischer Schritt besteht darin, die gewonnene elektrische Energie in elektromagnetische Strahlung umzuwandeln, sie zur Erde zu übertragen und dort wieder in elektrische Energie zurückzuverwandeln. Die aktuellen Prototypen nutzen laserbasierte Systeme im nahen Infrarotbereich, weil diese Strahlungsform effizient übertragen und am Boden von den vorhandenen Solarzellen aufgenommen werden kann. Dies unterscheidet sich von früheren Vorschlägen, die Mikrowellen oder schmale, starke Laserstrahlen verwendeten, die jeweils mit eigenen Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit, Effizienz oder Baukosten kämpfen würden. Ein Vorteil neuartiger Systeme ist die passive Sicherheit: Die Strahlung bleibt unbedenklich für Menschen, Tiere und Fluggeräte, da sie breit gestreut und für das Auge unsichtbar ist. Diese technische Basis ist keine Science-Fiction-Spinnerei mehr, sondern wurde bereits in einem Freifeldversuch erfolgreich demonstriert, bei dem Energie von einer in Bewegung befindlichen Plattform auf den Boden übertragen wurde und als funktionierender Grundlage für spätere Satellitensysteme gilt. (newatlas.com) Der Weg zu extraterrestrischer Energie ist steinig Auch wenn erste Technologien funktionieren, ist der Weg zu einem vollwertigen orbitalen Kraftwerk lang und komplex. Eine Reihe von Herausforderungen liegt im Bereich der Kosten, des Transports in den Orbit und der Skalierung der Systeme. Die Preise für Starts in den Weltraum sind in den letzten Jahren zwar deutlich gesunken, und robuste, leistungsfähige Laser und Photovoltaikmodule sind heute kommerziell verfügbar, doch bleibt die Umsetzung im großen Maßstab eine Ingenieursaufgabe von enormer Komplexität. Wie die Entwickler selbst betonen, ist der Engpass weniger die zugrundeliegende Physik als die Frage, wie solche Systeme zuverlässig, sicher und kosteneffizient gebaut und betrieben werden können. Für die nahe Zukunft sehen die Roadmaps der Firmen mehrere Stufen vor: Nach dem erfolgreichen Nachweis der Technologie mit Flugzeugen und Labortests soll eine Demonstration in niedriger Erdumlaufbahn folgen, bevor ab etwa 2030 eine funktionierende Station im geostationären Orbit eingerichtet werden kann, die bereits Megawatt-Leistungen ins Netz speist. Im weiteren Verlauf wird erwartet, dass Konstellationen aus vielen Satelliten zusammenarbeiten, um Energie bedarfsorientiert über Kontinente hinweg zu übertragen. (overviewenergy.com) Ein weiterer zentraler Punkt ist die Integration in bestehende Netze. Die geplanten Systeme sollen nicht auf völlig neuartige Bodeninfrastruktur angewiesen sein, sondern mit bereits vorhandenen Solarfarmen und deren Netzanschlüssen zusammenarbeiten. Dadurch könnte die Ergänzung orbitaler Energie die Wirtschaftlichkeit verbessern, weil vorhandene Investitionen weiter genutzt werden. Zudem wird argumentiert, dass dadurch auch die Belastung der Netzinfrastruktur verringert wird, da die Energie dorthin gelenkt werden kann, wo sie am dringendsten gebraucht wird, ohne lange Hochspannungsleitungen zu bauen. Doch neben diesen Chancen bestehen auch kritische Stimmen, die darauf hinweisen, dass der wirtschaftliche Vorteil gegenüber der fortschreitenden Entwicklung terrestrischer erneuerbarer Energien und Speichertechnologien noch unklar ist, und dass die Kosten orbitaler Systeme gegenwärtig schwer zu prognostizieren sind. (newatlas.com) Wann wird saubere Energie aus dem All Wirklichkeit? Die Grundidee eines permanenten, von Wetter und Tageszeit unabhängigen Solarkraftwerks im All hat große Attraktivität, weil sie theoretisch ein kontinuierliches, sauberes Energieangebot schaffen könnte. Im Vergleich zu konventionellen Solaranlagen auf der Erde würden solche Systeme den Ertrag potenziell deutlich erhöhen, da sie die Sonne nahezu ohne Unterbrechung und mit höherer Intensität nutzen könnten. Diese Eigenschaften gelten als Schlüsselvorteil bei der Bewältigung steigender globaler Energiebedarfe und der Reduktion fossiler Energieträger. Allerdings hängt der tatsächliche Beitrag solcher orbitaler Anlagen zur globalen Energieversorgung von vielen Faktoren ab, darunter die Entwicklung von Startkosten, die Effizienz der Übertragungssysteme und die Integration in bestehende Energiemärkte. Wissenschaftler:innen betonen, dass das Konzept in seiner wirtschaftlichen Bewertung noch viele offene Fragen aufweist und dass eine Vielfalt an erneuerbaren Technologien weiterhin notwendig ist, um verschiedene regionale und systemische Anforderungen zu erfüllen. Nicht zuletzt bleibt abzuwarten, inwieweit internationale Zusammenarbeit, regulatorische Rahmenbedingungen und technologische Standardisierung die Entwicklung und Akzeptanz solcher Systeme beeinflussen. Insgesamt steht die Raumfahrt-Solarenergie am Beginn einer spannenden Phase, in der praktische Versuche die theoretischen Möglichkeiten in greifbare Realität überführen könnten. via Overview Energy Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter