In der Forschung zur Gewinnung von Lithium aus Erzen zeichnet sich ein bemerkenswerter Fortschritt ab: eine neuartige Methode namens Flash Joule Heating (FJH) verspricht, den Aufwand, die Zeit und den ökologischen Fußabdruck der Extraktion drastisch zu reduzieren. Im Kern geht es darum, ein Lithium-Mineral über sehr schnelle Erhitzung und definierte gasförmige Chemikalienbindungen in kürzester Zeit in eine extrahierbare Form zu überführen.


Bild: Rice University

Flash Joule Heating: Direktumwandlung innerhalb von Sekunden

Die gängige Praxis zur Lithiumgewinnung – insbesondere aus Hartgestein-Erzen wie Spodumen – besteht bislang oft aus mehrstufigen Verfahren mit Säure-Rösten, chemischen Waschschritten oder Verdunstung über lange Zeiträume. Diese Prozesse sind energieintensiv, verbrauchen große Mengen Wasser und erzeugen Abfälle, mit denen Umweltbelastungen einhergehen.

Die Forschenden um James Tour (Rice University) haben hingegen eine Methode entwickelt, bei der das Ausgangserz in nur Millisekunden über einen elektrischen Impuls auf sehr hohe Temperaturen gebracht wird. Dabei werden Temperaturen erreicht, die das Mineral von der stabilen α-Phase in eine reaktivere β-Phase überführen. Unter dieser Bedingung kann das Lithium direkt mit Chlorgas reagieren und als Lithiumchlorid verdampfen, während Silizium- und Aluminiumverbindungen im festen Rückstand verbleiben. Auf diese Weise entsteht Lithiumchlorid mit hoher Reinheit. Diese „Direktumwandlung“ passiert quasi in einem Rutsch – ohne den herkömmlichen Umweg über Säuren, Basen oder lange chemische Aufarbeitungen. In Tests erzielten die Forschenden eine Wiedergewinnung (Recovery) von 94 % bei einer Reinheit von 97 %.


Das besondere an FJH ist die Kombination aus extrem schneller und gleichmäßiger Erhitzung mit günstigen thermodynamischen Bedingungen für die Reaktion. So überwinden die Forschenden kinetische Barrieren, die herkömmliche Einzelstufenverfahren bisher verhindert haben. Wie Xu, Erstautor der Studie, erläutert: „Our controlled, rapid-heating approach overcomes kinetic barriers that have hindered single-step extraction for decades.“

Lithiumgewinnung wird deutlich umweltfreundlicher

Diese Methode bringt gleich mehrere Vorteile mit sich: Der Prozess benötigt keine Säure oder Lauge, was Abfall und Umweltbeanspruchung erheblich reduzieren könnte. Die extrem kurzen Reaktionszeiten bedeuten einen drastisch geringeren Energie- und Platzbedarf für die Anlagen. Zudem eröffnen sich damit dezentrale Produktionsansätze – etwa kleine Verarbeitungseinheiten nahe der Lagerstätten statt riesige zentrale Fabriken. In der Pressemitteilung wird hervorgehoben, dass dies „battery-grade lithium production without acids, without large waste outputs and without waiting weeks“ ermöglichen könnte.

Allerdings stehen konkrete technische Herausforderungen im Raum. Die Effizienz und Selektivität des Verfahrens müssen in großem Maßstab ebenso reproduzierbar sein wie im Labor. Auch das Handling von gasförmigem Chlorgas unter hohen Temperaturen erfordert Sicherheits- und Materiallösungen, da Chlor stark reaktiv ist und korrosive Eigenschaften besitzt. Die Kosten für die Stromimpulse und die Umsetzung in industrietaugliche Anlagen sind entscheidend dafür, ob diese Methode wirtschaftlich konkurrenzfähig sein kann.

Des Weiteren ist es noch zu klären, wie gut die Methode mit Erzen mit niedrigeren Lithiumgehalten oder mit anderen Begleitmineralien funktioniert – also wie robust das Verfahren gegenüber realen Lagerstätten ist. Bei vielen neuen Verfahren ist der Sprung von der Laborprobe zur Pilotanlage eine große Hürde.

Trotz dieser offenen Fragen sieht die Fachwelt in dem Verfahren eine große Bedeutung für die Energiewende gesehen. Lithium ist ein Schlüsselrohstoff für Batterien in Elektroautos, Energiespeichern und mobilen Geräten. Die gegenwärtigen Methoden zur Gewinnung stehen unter dem Druck hoher Nachfrage und ökologischer Kritik. Ein Verfahren wie FJH könnte diesen Engpass adressieren und das Rohstoffsystem von Lithium nachhaltiger machen.

Startup soll die Technologie bereit für den Praxiseinsatz machen

Es kündigt sich bereits ein praktischer Schritt an: Aus dem Forschungslabor heraus wurde ein Startup – Flash Metals USA – gegründet, das die Technologie in Pilotanlagen überführen möchte. Wenn sich die Versprechen auch im industriellen Maßstab bestätigen, könnten Lithiumabbauregionen näher an Produktionsprozesse herangeführt werden, was Transportkosten und Umweltauswirkungen weiter senkt.

In künftigen Studien wird es wichtig sein, die Energieeffizienz über gesamte Prozessketten hinweg zu untersuchen, die Materialbeständigkeit zu optimieren und passende Prozesssteuerungen zu entwickeln. Auch ist denkbar, dass sich das Prinzip von FJH über Spodumen hinaus auf andere strategische Metalle anwenden lässt – sofern sie ähnliche chemische Bedingungen zulassen.

Insgesamt zeigt die Forschung, wie mit cleverer physikalischer Steuerung (schnelles Erhitzen) und gezielter Chemie (Chlorreaktion) ein etabliertes industrielles Verfahren neu gedacht werden kann.

via Rice University

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