Forscher:innen haben in Tests mit Mäusen bestätigt, dass kleine Mikroplastik-Partikel aus der Nahrung die Blut-Hirn-Schranke überwinden und ins Gehirn vordringen können. In den Tests waren die etwa 200 Nanometer großen Plastikteilchen bereits zwei Stunden nach der Aufnahme über die Nahrung im Gehirn der Mäuse nachweisbar. Die Passage durch die Blut-Hirn-Schranke wird den Mikroplastik-Teilen dabei durch körpereigene Moleküle ermöglicht.


Bild: Kopatz et al., nanomaterials, CC-by 4.0

Dem Plastik auf der Spur

Mikroplastik findet sich quasi überall: in der Luft, im Wasser und im Boden, aber auch in der Nahrungskette und im Trinkwasser und damit auch im Körper vom Lebewesen. Im Körper von Tieren und Menschen kann es in Gewebe und Organe eindringen. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass größere Mikroplastik-Partikel die Zellmembranen mechanisch schädigen und so Entzündungen fördern können.

Und auch den Weg ins Gehirn kann das Mikroplastik gelangen. Forscher:innen rund um Verena Kopatz von der Medizinischen Universität Wien haben nun näher untersucht, wie die kleinen Plastikteilchen dorthin gelangen können. Für ihren Test nutzten die Wissenschaftler:innen Mikroplastik aus dem Kunststoff Polystrol in drei Größen, und zwar 9,5 Mikrometer, 1,14 Mikrometer und 293 Nanometer. Je nach Größe wurden diese Mikroplastikteilchen mit verschiedenen Fluoreszenzmakern gekennzeichnet und dann in einer simulierten Verdauungsflüssigkeit vorbehandelt. Anschließend wurden die Plastikteile oral Mäusen verabreicht.


Zu unserer Überraschung beobachteten wir die grünen Fluoreszenzsignale der kleinsten Mikroplastik-Partikel schon zwei Stunden später im Gehirn der Tiere. Das deutet darauf hin, dass Polystyrol-Nanoplastik die Darmbarriere und die Blut-Hirn-Schranke in relativ kurzer Zeit durchdringen kann„, fassen die Forscher:innen ihre Ergebnisse zusammen. Dabei fiel auf, dass Mikroplastik mit einer Größe von mehr als einem Mikrometer die Passage nicht gelang.

Hülle des Mikroplastiks ist entscheidend

Die interessante Frage für das Team war jedoch, wie es den Mikroplastik-Partikeln gelang, die für den Schutz des Gehirns zuständige Blut-Hirn-Schranke zu passieren. Dieser Frage wollten Kopatz und ihre Kolleg:innen mittels Computersimulationen mit nahezu atomarer Auflösung auf den Grund gehen. Dabei fungierte eine Doppellipidmembran aus dem Phospholipid DOPC als virtuelle Blut-Hirn-Schranke. Das Mikroplastik wurde von Polystyrol-Kügelchen in Reinform, mit einer Hülle aus körpereigenen Cholesterin-Molekülen sowie mit einer Hülle aus angelagerten Proteinen verkörpert.

Die Simulationen ergaben, dass die „Bio-Korona“ aus angelagerten Molekülen eine entscheidende Rolle dabei spielt, ob das Mikropastik durch die Membran dringen kann. Wenn diese primär aus Proteinen besteht, so können die Plastikteile nicht durch die Membranbarriere dringen. Den Polystolpartikel, die von Cholesterin umhüllt oder nackt waren, gelang die Passage durch die Doppellipidmembran. „Dies unterstreicht, wie wichtig es für die Risikoeinschätzung ist, die über Anlagerungen aus der Umwelt erworbene ‚Corona‘ auf der Oberfläche der Plastikpartikel zu verstehen„, schreiben die Forscher:innen.

Mikroplastik muss weiter untersucht werden

Es sei daher dringend geboten, die Interaktion von Mikroplastik mit dem Körper weiter zu erforschen, schließt das Team. „Um die potenziellen Schäden von Mikro- und Nanoplastikpartikeln für Mensch und Umwelt zu minimieren, ist es von entscheidender Bedeutung, die Exposition zu begrenzen und ihre Verwendung einzuschränken, während die Auswirkungen von MNP weiter erforscht werden„, erläutert Seniorautor Lukas Kenner von der Medizinischen Universität Wien.

Wie alltäglich Mikroplastik für uns mittlerweile ist, verdeutlicht folgendes Beispiel: Menschen, die die empfohlenen 1,5 bis zwei Liter Wasser pro Tag aus Plastikflaschen trinken, nehmen etwa 90.000 Plastikpartikel pro Jahr zu sich. Wer Leitungswasser trinkt, der kann, abhängig von der geografischen Lage, diese Menge zumindest auf 40.000 Partikel pro Jahr reduzieren.

via Medizinische Universität Wien

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