Mikroplastik hat sich in den vergangenen Jahren von einem Randthema der Umweltforschung zu einem globalen Gesundheitsaspekt entwickelt. Die winzigen Kunststoffpartikel entstehen durch Zerfall alltäglicher Produkte, sie gelangen in Gewässer, Böden, Nahrungsmittel, Trinkwasser und letztlich auch in den menschlichen Körper. Vieles daran wirkt vertraut: Plastik ist überall, seine Spuren ebenfalls. Doch eine aktuelle Übersichtsstudie der University of Sydney rückt nun eine Frage in den Vordergrund, die lange kaum gestellt wurde. Wenn Mikroplastik so tief in biologische Systeme eindringt – wie weit reicht dieser Einfluss? Die systematische Zusammenführung neuester Untersuchungen deutet darauf hin, dass die Belastung möglicherweise auch das Gehirn betrifft und dort auf mehreren Ebenen wirken könnte. Über Essen ins Gehirn Der erste Schritt auf dem Weg ins zentrale Nervensystem ist die Aufnahme von Mikroplastik über Essen, Getränke, Staub oder Luft. Plastikpartikel finden sich in Wasser, verarbeiteten Lebensmitteln, Salz, Meeresfrüchten und synthetischen Textilfasern. Ein großer Teil wird zwar wieder ausgeschieden, doch verschiedene Untersuchungen zeigen, dass sich Kunststofffragmente im Körper ablagern können. Dazu gehören auch Funde im Gehirngewebe. Eine Analyse, die Proben aus verschiedenen Jahren verglich, identifizierte deutlich höhere Konzentrationen in aktuelleren Gewebeproben, besonders bei Personen, bei denen neurodegenerative Erkrankungen diagnostiziert worden waren. Am häufigsten wurde Polyethylen nachgewiesen. Ob die Partikel die Blut-Hirn-Schranke tatsächlich überwunden haben oder sich eher in Gefäßen angesammelt haben, bleibt jedoch ungeklärt. Die Ergebnisse genügen aber, um die Frage nach möglichen neurologischen Auswirkungen neu zu stellen. Fünffacher Wirkmechanismus: Wie Plastik dem Gehirn schaden kann Die Übersichtsstudie der University of Sydney beschreibt fünf potenzielle Mechanismen, über die Mikroplastik neurologische Prozesse beeinflussen könnte. Dazu gehört eine mögliche Schwächung der Blut-Hirn-Schranke, die normalerweise verhindert, dass schädliche Substanzen in das Gehirn gelangen. Ebenso können entzündliche Reaktionen ausgelöst werden, weil das Immunsystem die Kunststoffpartikel als Fremdkörper erkennt. Hinzu kommt oxidativer Stress, der durch eine erhöhte Bildung reaktiver Sauerstoffspezies entsteht und die antioxidativen Schutzmechanismen schwächt. Auch die Mitochondrien, also die Energiezentren der Zellen, könnten beeinträchtigt werden, was langfristig die Funktionsfähigkeit von Nervenzellen stört. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass Mikroplastik durch rein mechanische Einwirkung neuronales Gewebe beschädigt. Die beteiligten Forscher:innen betonen, dass diese Prozesse nicht isoliert auftreten müssen. Vielmehr könnten sie sich gegenseitig verstärken und damit Bedingungen begünstigen, die auch bei Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson beobachtet werden. Eine der Autor:innen fasst dies in der Übersicht mit den Worten zusammen, Mikroplastik könne „ein unterschätztes Risiko darstellen, das das Gehirn auf mehreren Ebenen unter Druck setzt“. Datenlage bleibt unübersichtlich Trotz der wachsenden Zahl an Hinweisen bleibt die Datenlage lückenhaft. Besonders schwierig ist der zweifelsfreie Nachweis, dass Mikroplastik nicht nur im oder am Gehirn gefunden wird, sondern dort relevante biologische Funktionen beeinflusst. Viele der aufgeführten Mechanismen basieren auf Zell- oder Tierstudien, deren Übertragbarkeit auf den Menschen erst noch geklärt werden muss. Auch der Umfang möglicher gesundheitlicher Folgen lässt sich derzeit nur grob abschätzen. Gerade deshalb unterstreicht die Übersichtsstudie die Notwendigkeit weiterer Forschung mit standardisierten Methoden, größeren Datenmengen und einer exakten Kontrolle möglicher Verunreinigungen. Parallel dazu empfehlen die Autor:innen vorsorgliche Maßnahmen, die die Aufnahme von Mikroplastik reduzieren können – etwa durch langlebige Alternativen zu kurzlebigen Kunststoffprodukten. Ob solche Schritte langfristig neurologische Risiken senken, bleibt vorerst offen. Unabhängig davon zeigt die Arbeit der University of Sydney, wie weitreichend die Verbreitung von Mikroplastik sein könnte. Die Partikel betreffen nicht nur Umwelt und Nahrungskette, sondern möglicherweise auch das empfindlichste Organ des Menschen. Noch fehlen viele Antworten, doch die Studie liefert einen klaren Hinweis darauf, dass die Forschung zu Mikroplastik nicht am äußeren Ökosystem enden darf, sondern zunehmend den Blick auf das Innere des menschlichen Körpers richten muss. via University of Sydney Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter