Plötzlicher Herztod wirkt oft wie ein Schock aus heiterem Himmel, doch aktuelle Forschungsergebnisse rücken eine bislang wenig beachtete innere Ursache in den Fokus: Vernarbtes Gewebe im Herzmuskel kann elektrische Signale unter Belastung so verändern, dass ein scheinbar gesundes Herz gefährliche Rhythmusstörungen erzeugt. Forschende der Universität Freiburg haben mit einem neuartigen 3D-Bildgebungsverfahren sichtbar gemacht, wie diese Prozesse im Detail ablaufen – und damit einen möglichen Schlüssel zur Erklärung vieler ungeklärter Fälle geliefert. Foto: Untitled, Charlotte Astrid, Flickr, CC BY-SA 2.0 Wie Narben im Herzgewebe elektrische Störungen auslösen Das Forschungsteam um Prof. Peter Kohl konnte zeigen, dass Narbengewebe im Herzen weit mehr ist als bloßes „totes Material“. Mithilfe hochauflösender 3D-Darstellungen beobachteten die Forscher:innen, dass vernarbte Bereiche die Weiterleitung elektrischer Signale selektiv beeinflussen können. Bei niedriger Herzfrequenz bleibt die elektrische Aktivität oft stabil, doch sobald das Herz schneller schlagen muss – etwa durch körperliche Belastung oder Stress – verändern die Narben die Signalübertragung. Einige elektrische Pfade werden dabei blockiert oder abgebremst, wodurch unregelmäßige Erregungen entstehen, die in gefährliche Rhythmusstörungen übergehen können. „Unsere Studie zeigt, dass Narbengewebe im Herzen nicht einfach stört – es beeinflusst aktiv, wie das Herz arbeitet“, erklärt Kohl. Damit liefern die Ergebnisse eine mögliche Erklärung, warum viele Betroffene bis zum Moment des Zusammenbruchs keine Auffälligkeiten zeigen. Im Ruhe-EKG bleibt der Herzrhythmus normal, erst unter Belastung entstehen die kritischen Störungen. Diese Erkenntnis schließt eine wichtige Lücke zwischen anatomischem Befund und funktionellem Risiko und könnte helfen, bisher unvorhersehbare Ereignisse besser zu verstehen. Ein neuer Blick auf das Risiko des plötzlichen Herztods Der plötzliche Herztod tritt auf, wenn das Herz durch Kammerflimmern seine Pumpfunktion verliert. Meist geschieht dies im Zusammenhang mit Herzinfarkten, koronarer Herzkrankheit oder Herzschwäche. Doch es gibt zahlreiche Fälle, in denen keine dieser Ursachen vorliegt – insbesondere bei jüngeren Menschen oder sportlich aktiven Personen. Hier könnten mikroskopisch kleine Narben, etwa durch frühere Entzündungen oder Mikroverletzungen, den Ausschlag geben. Die neue 3D-Bildgebung macht solche feinen Gewebeveränderungen sichtbar und erlaubt es, sie mit den elektrischen Eigenschaften des Herzens zu verknüpfen. Diese Kombination aus Struktur- und Funktionsdaten eröffnet neue Möglichkeiten, individuelle Risiken zu bewerten. Statt allein auf anatomische Merkmale oder Messwerte wie die Pumpleistung zu schauen, ließe sich künftig auch die elektrische Reaktion des Herzens unter Belastung analysieren. Dadurch könnten Menschen identifiziert werden, die trotz unauffälliger Standarddiagnostik ein erhöhtes Risiko tragen. Langfristig könnte diese Methode die bisherige Risikoeinschätzung für den plötzlichen Herztod grundlegend verändern. Vom Labor zur Klinik: Das neue Verfahren muss sich noch bewähren Bevor die Erkenntnisse in die klinische Praxis überführt werden können, steht jedoch noch viel Arbeit an. Das Freiburger Team will seine Methode nun in weiteren Modellen und perspektivisch auch an menschlichem Herzgewebe erproben, um die Übertragbarkeit zu bestätigen. Ebenso wichtig sind Langzeitstudien, die zeigen, wie häufig solche funktionellen Narben tatsächlich vorkommen und welche Patient:innengruppen besonders betroffen sind. Erst dann lässt sich beurteilen, wie groß der Nutzen für Früherkennung und Prävention wirklich ist. Langfristig könnten die neuen Erkenntnisse dazu führen, dass 3D-Bildgebung und computergestützte Simulationen zur Standarddiagnostik gehören. Durch das Zusammenspiel von Struktur- und Leitfähigkeitsdaten ließe sich ein individuelles Risikoprofil erstellen – und im besten Fall rechtzeitig eingreifen, bevor es zu einer lebensbedrohlichen Rhythmusstörung kommt. Die Forschung zeigt damit eindrücklich, wie moderne Bildgebung und biophysikalische Modellierung helfen können, ein lange rätselhaftes medizinisches Phänomen zu entschlüsseln. Vernarbtes Gewebe erweist sich dabei nicht als passiver Restschaden, sondern als aktiver Mitspieler im elektrischen System des Herzens – und möglicherweise als Schlüssel zur Vermeidung vieler plötzlicher Todesfälle. via Universität Freiburg Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter