Das Rückenmark spielt eine entscheidende Rolle innerhalb des menschlichen Nervensystems. Wird es beschädigt, bringt dies in aller Regel schwerewiegende Folgen mit sich. Zumal die Heilungsfähigkeiten begrenzt sind. Denn ein einmal durchtrenntes Rückenmark wächst nicht mehr zusammen. Die Patienten sind dann gelähmt. Bisherige Versuche die Nerven auf künstliche Weise wieder miteinander zu verbinden, waren – zumindest beim Menschen – nicht von Erfolg gekrönt. Forscher an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne haben sich daher Gedanken über eine mögliche Alternative gemacht: Die sognannte Neurostimulation sorgt zwar nicht für eine Heilung des Rückenmarks. Sie kann das Leben der betroffenen Patienten aber dennoch massiv erleichtern. Vereinfacht ausgedrückt besteht der Ansatz darin, die Muskeln über künstliche Elektroden anzusteuern und so in Bewegung zu setzen. Bisher gelang dies in aller Regel aber erst nach langem und intensivem Training.


Bild: EPFL / Alain Herzog 2021

Selbst Schwimmen und Kanufahren war wieder möglich

Die Schweizer Forscher haben die Therapie aber nun so verändert, dass die Patienten schon unmittelbar nach der Implementierung wieder erste Schritte tätigen konnten. Das Körpergewicht wurde dabei zwar noch von einer speziellen Tragevorrichtung gehalten. Dennoch stellte dies für die Teilnehmer der Studie ein erstes wichtiges Erfolgserlebnis dar. Nach fünf Monaten konnten die Patienten sich dann mithilfe eines Rollators wieder eigenständig bewegen. Die für die Stimulation der Muskeln benötigten Knöpfe wurden dafür eigens in den Rollator integriert. Auch Schwimmen und Kanufahren konnten die Probanden. Möglich wurde dies durch zwei entscheidende Verbesserungen der Schweizer Forscher. Zum einen optimierten sie die Anordnung der einzelnen Elektroden so, dass gezielt einzelne Muskelgruppen angesteuert werden konnten. Möglich wurde dies durch eine detaillierte Simulation der einzelnen Nervenzellen und ihrer Funktionen. Dadurch können die einzelnen Reize deutlich gezielter gesetzt werden.

Geheilt wurden die Verletzungen nicht

Die zweite Verbesserung besteht in einem intelligenten Algorithmus, der für die einzelnen Patienten jeweils ein individuelles Reizprofil erstellt. Dadurch sollen die Signale, die sonst das Gehirn aussendet, möglichst detailgetreu nachgebildet werden. Dies sorgt im Endeffekt dann auch für möglichst menschliche Bewegungsmuster. Für die drei Teilnehmer dieser ersten Studie, die allesamt durch einen Motorradunfall Querschnittsgelähmt waren, konnten so entscheidende Verbesserungen in Sachen Lebensqualität erreicht werden. Der Heilung sind sie damit aber nicht näher gekommen. Denn das Rückenmark ist immer noch genau so beschädigt wie zuvor. Die Bewegungen der Muskeln werden demnach auch nicht vom Gehirn gesteuert, sondern von der Software außerhalb des Körpers. Die Ergebnisse sind zudem beeindruckend, aber noch weit entfernt vom ursprünglichen gesunden Zustand. Weitere Verbesserungen sind aber auch in der Zukunft nicht ausgeschlossen.


Via: EPFL

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