Bei extremen Regenfällen sind Sturzfluten nicht selten. So schlimm wie im Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz kommt es allerdings selten. Und derartige Katastrophen vorherzusagen ist mit den heutigen Mitteln kaum machbar.


Das kann sich ändern. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Göttingen entwickelt derzeit ein Frühwarnsystem, das eine anrollende Sturzflut schon in einer Entfernung von 1,5 Kilometern erkannt. Dann bleibt zumindest noch Zeit sich in Sicherheit zu bringen, wenn auch die materiellen Schäden nur teilweise zu verhindern sind.

Bild: Universität Göttingen/Michael Dietze

Erdbebenmesser sinnvoll zweckentfremdet

Das System basiert auf den Daten, die Seismometer erfassen, die eigentlich für die Dokumentierung von Erdbeben gedacht sind. Der Geowissenschaftler Michael Dietze, der an der Göttinger Hochschule lehrt und forscht, hat mit seinem Team die Daten eines Seismometers in der Nähe der Stadt Ahrweiler, die von der Sturzflut schwer getroffen worden ist, zur Zeit der Katastrophe analysiert. Sie zeigten buchstäblich den Weg der Flut auf, während das Wasser durch das steile, gewundene Tal durch die Orte Rech, Dernau, Walporzheim und Ahrweiler schoss. Durch die Kombination mathematischer Modelle konnte das Team die Geschwindigkeit abschätzen, mit der sich das Hochwasser bewegte, und Informationen über den steigenden Wasserstand und die Menge des von der Flut mitgerissenen Gerölls – Schotter, Autos, Heizöltanks – gewinnen.


Zahlreiche Menschen hätte man retten können

Hätte man vor gut einem Jahr schon die Zusammenhänge zwischen den seismischen Daten und dem Verlauf der Katastrophe gekannt hätten zumindest viele der mehr als 180 Toten gerettet werden können, indem sie sich rechtzeitig in Sicherheit gebraucht hätten. „Wäre der Datenstrom dieser Station ausgewertet worden, hätten wir wichtige Echtzeitinformationen über das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Sturzflut gehabt, wie unsere Forschung jetzt zeigt,“, sagt Dietze. „Da zehn Prozent der Fläche Europas anfällig für Sturzfluten in Tälern sind, sollten wir anfangen, über solche neuen Frühwarn-Ansätze nachzudenken. Das derzeitige Netz von Flusspegelstationen reicht nicht aus, um auf künftige Ereignisse angemessen vorbereitet zu sein.“

via Uni Göttingen

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