Viele der wirksamsten modernen Therapien, gerade bei Autoimmunerkrankungen, Krebs oder Stoffwechselstörungen, basieren auf biotechnologisch hergestellten Proteinpräparaten. Allerdings erfordern diese aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften oft Infusionen über mehrere Stunden hinweg. Nur so bleiben die Moleküle stabil und verstopfen nicht die Spritze – was den Ablauf für alle Beteiligten mühsam macht. Eine aktuelle Innovation aus dem Labor von Stanford könnte genau das ändern: ein Verfahren, das diese langwierigen Tropfinfusionen zu schnellen Injektionen auf ein paar Sekunden schrumpft.


Die Polymer-Sprühtechnologie: Protein im “Zuckerüberzug”

Forschende um den Materialwissenschaftler Eric Appel haben ein Polyacrylamid-Copolymer entwickelt, unter dem Kürzel MoNi bekannt, dessen herausragende Eigenschaft eine besonders hohe Glasübergangstemperatur ist. Das bedeutet, dass dieser Zusatz bei Körpertemperatur nicht weich wird wie übliche Hilfsstoffe, sondern hart und glasartig bleibt. Mittels einer Sprüh-Trocknungstechnik wird die Proteinlösung zusammen mit diesem Polymer zu winzigen Tropfen zerstäubt und das Wasser entzogen. Zurück bleiben einzelne Mikropartikel, bei denen jedes einzelne Protein in eine feste Polymerhülle eingekapselt ist – ähnlich wie bei einem Zuckermantel rund um eine Schokoladensüßigkeit. Die Forschenden sprechen dabei von einem „candy-coated chocolate“.


Ultrahochkonzentrierte, aber dennoch injizierbare Lösungen

Das Ergebnis dieser Einbettungstechnik ist verblüffend: Die pulverförmigen Partikel lassen sich in einer Flüssigkeit wieder suspendieren, ohne zu verklumpen oder pastös zu werden. So erreichen die Lösungen Protein-Konzentrationen über 500 mg/ml, was mehr als das Doppelte dessen ist, was bisher als flüssige Injektion möglich war. Die glatte, kugelige Form der Partikel sorgt dafür, dass sie förmlich aneinander vorbeirutschen können – selbst durch extrem feine Nadeln. Das Resultat: ein Injectat, das sich glatt und leicht verabreichen lässt.

Carolyn Jons, Doktorandin in Appels Labor, bringt es bildhaft auf den Punkt: Die Partikel seien so gestaltet, dass sie geradezu rollen können und somit trotz hoher Konzentration problemlos injizierbar bleiben.

Von der Klinik in Sekunden in den Oberarm

Das Potenzial solcher Formulierungen ist enorm. Statt stundenlang im Krankenhaus an einem Tropf zu hängen, erklärt Appel, könnten Patient:innen künftig Therapien zuhause per Autoinjektor in wenigen Sekunden erhalten. Der Ansatz scheint universell einsetzbar zu sein – egal ob Albumin, menschliches Immunoglobulin oder monoklonale Antikörper – alles, was bisher mittels Infusion verabreicht wurde, könnte so neue Mobilität gewinnen.

Die Stabilität spricht ebenfalls für sich: Tests demonstrieren, dass die Formulierungen auch nach mehreren Einfrier-Auftauzyklen und verlängerten Lagerzeiten bei höheren Temperaturen intakt bleiben. Weiterhin betonen die Forschenden, dass der physikalische Schutz durch die Polymerhülle wichtiger sei als die chemischen Details des Proteins selbst – wodurch das Verfahren flexibel auf verschiedenste Medikamente angewendet werden kann.

Schon in präklinischen Studien konnten keine nachteiligen Effekte festgestellt werden – und die Technologie wurde bereits an ein Start-up lizenziert, das nun den Weg zur kommerziellen Umsetzung vorantreiben soll.

In Summe verspricht diese Methode eine echte Revolution: Aus langen Klinikaufenthalten wird eine simple, schnelle Injektion – ohne Qualitätseinbußen, dafür mit höherer Drug-Dichte und mehr Komfort für die Patient:innen. Wenn alles nach Plan läuft, dürften wir bald deutlich schlanker und schneller verabreichte Therapien sehen – statt stundenlangem Tropfen, eine Sekunde lang Piek genügt.

 

via Stanford University

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.