Ein winziger Mini-Antikörper, abgeleitet von einem Alpaka, könnte schon bald neuen Wind in die Forschung gegen Herpesviren bringen. In aktuellen Studien aus Hamburg und Göttingen haben Forscher:innen eine Nanobody-Variante entwickelt, die gezielt das Protein angreift, das das Herpes-simplex-Virus benötigt, um in menschliche Zellen einzudringen. Überraschend einfach, aber enorm wirkungsvoll: eine potenzielle Antwort auf ein Virus, das über Jahrzehnte hinweg kaum zu erschüttern war. Nanobody: Wie ein Winzling das Virus blockiert Der Schlüssel zu diesem Ansatz ist das Glykoprotein B (gB), das eine zentrale Rolle bei der Membranfusion zwischen Herpesvirus und Wirtszelle spielt. Dieses Protein verändert seine dreidimensionale Struktur, um die Fusion der viralen Membran mit der Zellmembran zu ermöglichen. Genau an diesem Prozess setzt die neue Strategie an: Mithilfe moderner Bildgebungsverfahren konnten die Forschenden die Struktur der fusionsbereiten Form von gB darstellen und so eine präzise Angriffsstelle identifizieren. Aus dem Blut eines Alpaka-Tieres wurde ein Nanobody isoliert — ein sehr kleiner, stabiler Antikörperfragmenttyp. Dieser bindet die fusionsbereite Form von gB in niedrigen Konzentrationen und verhindert dadurch, dass das Protein die notwendigen Umbauten durchführt, um die Membranfusion einzuleiten. Professor Dirk Görlich beschreibt den Ablauf nüchtern: „Das Stresslevel bei dem Alpaka war minimal, vergleichbar mit einer Impfung und Blutentnahme beim Menschen.“ Nanobody wirkt auf HSV-1 und HSV-2 Ein wesentlicher Vorteil der entdeckten Nanobody-Variante ist, dass sie sowohl gegen HSV-1 als auch gegen HSV-2 neutralisierend wirkt. Herkömmliche antivirale Mittel sind meist nur gegen aktive Virusvermehrung wirksam und lassen das latent in Nervenzellen persistierende Virus unangetastet. Die Nanobody-Strategie zielt hingegen auf den Eintrittsprozess der Viren ab, sodass sowohl eine akute Anwendung als auch eine prophylaktische Nutzung denkbar erscheint, etwa zum Schutz besonders gefährdeter Personen oder Neugeborener. Benjamin Vollmer, einer der leitenden Forschenden, fasst die Bedeutung zusammen: „Durch diesen Antikörper lassen sich mögliche schwere Verläufe bei Herpesinfektionen verhindern und besonders gefährdete Personen vor Ansteckung schützen.“ Parallel dazu liefen bereits Schritte zur patentbasierten Weiterentwicklung, um eine Übersetzung in klinische Anwendungen vorzubereiten. Von Alpaka-Blut zu potenzieller Therapie Die Arbeit entstand in Kooperation mehrerer Einrichtungen. Aus einer Blutprobe wurden zahlreiche Nanobody-Baupläne isoliert und mithilfe geeigneter Selektionsverfahren auf die gB-Zielstruktur hin verfeinert. Letztlich identifizierte das Team eine einzelne Nanobody-Variante, die strukturell und funktional den Fusionsmechanismus stört und das Virus damit in seinem Angriffsmodus scheitern lässt. Ein wichtiges Merkmal von Herpesviren ist ihre Lebenslangkeit im Körper: Nach der Erstinfektion verbleiben sie oft latent in Nervenzellen und können bei Stress oder Immunschwäche reaktiviert werden. Deshalb sind Methoden, die bereits am Eintritt in die Zelle ansetzen, wissenschaftlich besonders attraktiv. Die Nanobody-Strategie könnte diese prophylaktische Lücke schließen, indem sie das Virus daran hindert, erneut in Wirtszellen einzudringen. Der Weg bis zur klinischen Anwendung bleibt noch, doch das Potenzial ist erheblich. Die Kombination aus struktureller Detektivarbeit, moderner Nanotechnologie und gezielter Antikörperselektion zeigt, wie interdisziplinäre Forschung neue therapeutische Konzepte gegen persistente Viren hervorbringen kann. Dieser Forschungsansatz stellt einen vielversprechenden Schritt dar, um latente Viren effektiver in Schach zu halten. via University Hamburg via idw Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter