Die jüngste Entwicklung eines neuartigen, luftlosen Rades für Raumfahrtanwendungen könnte die Mobilität künftiger Mond- und Planetenrover deutlich verbessern. Traditionelle roverreifen sind auf Druckluft oder andere elastische Elemente angewiesen, die im harten, staubigen und extrem temperierten Umfeld des Weltraums besonders anfällig sind. Der Verschleiß der Räder der Mars-Rover wie Curiosity macht deutlich, wie kritisch Roboterfahrwerke für den Erfolg von Missionen sind: Schon kleinste Beschädigungen können die Mobilität beeinträchtigen oder gar den Missionsverlauf stoppen.


Bild: KAIST

Luftloser Reifen widersteht selbst Feuer

Das neu entwickelte Rad stammt aus der Aerospace Robotics & Mechanisms Laboratory der KAIST-Universität in Südkorea und basiert auf einem grundlegend anderen mechanischen Prinzip als herkömmliche Reifen. Statt eines luftgefüllten Gummireifens nutzt es lange, gewundene Stahlstreifen, die in einer helikalen Struktur miteinander verflochten sind. Diese Anordnung ähnelt dem Prinzip einer freitragenden Brücke und sorgt dafür, dass sich die Kräfte im Rad gleichmäßig verteilen. Die Antriebseinheit verbindet zwei Radhälften, die sich gegensinnig drehen können, wodurch das Rad aus einem kompakten Zustand von etwa 23 Zentimetern Durchmesser auf fast 50 Zentimeter ausgezogen werden kann, ohne klassische Scharniere oder Federelemente.

Der beteiligte Forscher Seong-Bin Lee beschreibt den Ansatz als „eine Kontinuumsverformung, die durch einen Wickelmechanismus gesteuert wird“, und betont, dass sich damit Materialien einsetzen lassen, die bislang für verformbare Räder als ungeeignet galten. Im Gegensatz zu früheren Konzepten, die auf flexible Textilien oder elastische Kunststoffe setzten, eröffnet diese Konstruktion neue Möglichkeiten für den Einsatz metallischer Werkstoffe in extremen Missionsumgebungen.


Ein zentrales Merkmal der Struktur ist ihre gezielte Richtungsabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften. Während sich das Rad in Umfangsrichtung vergleichsweise leicht verformen lässt, zeigt es unter vertikaler Belastung eine hohe Steifigkeit. Dadurch bleibt die Form auch bei schweren Lasten stabil, gleichzeitig können Stöße und Unebenheiten besser abgefedert werden als bei starren Rädern. Gerade auf unebenem, scharfkantigem Regolith stellt dies einen entscheidenden Vorteil dar.

Erprobung unter extremen Belastungen

Die Entwickler:innen beschränkten sich nicht auf theoretische Modelle, sondern testeten das Rad in einer Reihe praxisnaher Experimente. In Versuchen mit einem Demonstrationsrover zeigte die Konstruktion eine zuverlässige Traktion auf losem Untergrund und bewältigte hohe Hindernisse sowie Stürze aus beträchtlicher Höhe. Besonders auffällig war die Widerstandsfähigkeit gegenüber thermischer Belastung, die in einem Brandtest demonstriert wurde.

Auch wenn offene Flammen auf Mond oder Mars kaum eine reale Gefahr darstellen, verdeutlichen solche Tests die grundsätzliche Materialstabilität des Designs. Hohe Temperaturunterschiede, wie sie auf dem Mond zwischen Tag und Nacht auftreten, gehören hingegen zu den größten technischen Herausforderungen. Die Fähigkeit, mechanische Integrität auch unter extremen Bedingungen zu bewahren, ist daher ein zentrales Kriterium für künftige Rovermissionen.

Da Reparaturen im All praktisch ausgeschlossen sind, müssen alle beweglichen Komponenten möglichst ausfallsicher konstruiert sein. Ein beschädigtes Rad kann einen Rover dauerhaft immobilisieren und eine Mission vorzeitig beenden. Vor diesem Hintergrund kommt der Robustheit des Fahrwerks eine ähnlich große Bedeutung zu wie den wissenschaftlichen Instrumenten an Bord.

Neue Möglichkeiten für die Raumfahrt

Luftlose Radkonzepte werden in der Raumfahrt seit Jahren diskutiert, doch die Kombination aus Formveränderlichkeit und metallischer Struktur stellt einen neuen Ansatz dar. Die Möglichkeit, den Raddurchmesser an unterschiedliche Geländeformen anzupassen, könnte Rover künftig deutlich vielseitiger machen. Flache, harte Ebenen und steile, blockreiche Regionen ließen sich mit demselben Fahrzeug effizient erkunden.

Insbesondere für Missionen zu geologisch komplexen Regionen, etwa in der Nähe vermuteter Lavaröhren auf dem Mond, könnten solche Räder neue Zugänge eröffnen. Auch für langfristige Erkundungsprogramme auf dem Mars oder für robotische Vorläufer bemannter Missionen spielt eine zuverlässige Mobilität eine Schlüsselrolle.

via New Atlas

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.