Lange Zeit galt der Wald als verlässlicher Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel. Seine Fähigkeit, große Mengen Kohlendioxid zu speichern, machte ihn zu einem Hoffnungsträger der Klimapolitik. Doch diese Vorstellung gerät zunehmend ins Wanken. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeichnen ein anderes Bild – eines, das beunruhigt und zum Umdenken zwingt: Der deutsche Wald verliert seine Funktion als CO₂-Senke. Statt Kohlenstoff zu speichern, setzt er mittlerweile mehr frei, als er aufnimmt.


Deutschlands Wälder verändern sich

<p“>Diese Entwicklung ist nicht nur ein statistisches Detail für Fachleute, sondern ein Signal mit weitreichenden Folgen. Denn die Wälder hierzulande haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Besonders seit dem extrem trockenen Sommer 2018 häufen sich die sichtbaren Schäden: Kahle Flächen, abgestorbene Bäume, monotone braune Fichtenhänge. Hitze, Dürre, Stürme und Schädlinge – insbesondere der Borkenkäfer – haben den deutschen Forsten stark zugesetzt. Die Konsequenzen zeigen sich nicht nur im Landschaftsbild, sondern auch in der Klimabilanz.


Laut Analysen des Öko-Instituts Darmstadt und Daten des Bundeswaldinventars ist der deutsche Wald seit dem Jahr 2017 keine CO₂-Senke mehr. Inzwischen stößt er netto jährlich über 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus – eine Umkehr, die früher kaum jemand für möglich gehalten hätte. Besonders betroffen sind Fichtenbestände, die große Teile der deutschen Forste ausmachen. Ihre geringe Widerstandskraft gegenüber Trockenheit und Schädlingsbefall macht sie zum Symbol einer gescheiterten Forstpolitik, die zu lange auf Monokulturen setzte.

Wälder in der Klimakrise – ein globales Problem

Dabei ist das Problem keineswegs auf Deutschland beschränkt. Eine aktuelle Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung warnt davor, dass auch weltweit die CO₂-Speicherfähigkeit von Wäldern abnimmt. Das hat unmittelbare Folgen für die globalen Klimaziele. Viele Szenarien, etwa solche des Weltklimarats (IPCC), gehen implizit davon aus, dass Wälder weiterhin zuverlässig Kohlenstoff binden. Diese Annahme erweist sich nun als zunehmend unrealistisch.

Besonders alarmierend ist, dass das Wegbrechen der natürlichen CO₂-Senken nicht nur das Klima anheizt, sondern auch die politische Rechnung durcheinanderbringt. Wenn der Wald seine Speicherfunktion verliert, müssen andere Bereiche wie Industrie, Verkehr oder Energie deutlich mehr einsparen, um die Emissionsziele zu erreichen. Das bedeutet: höhere Kosten, größere Herausforderungen und noch weniger Spielraum für Verzögerungen.

Die politischen Reaktionen auf diese Entwicklung sind bislang verhalten – teils verständlich, denn Forstwirtschaft und Klimapolitik verfolgen nicht immer dieselben Ziele. Der Vorschlag, die Holznutzung deutlich zu reduzieren, stößt auf Widerstand. Vertreter der Forstwirtschaft verweisen auf die ökonomische Bedeutung von Holz als Baustoff und Energieträger, und sie mahnen, den Wald nicht ausschließlich auf seine CO₂-Bilanz zu reduzieren. Tatsächlich spielt er eine komplexe Rolle im Ökosystem – als Lebensraum, Wasserspeicher, Kühlfaktor und Ort der Erholung.

Ein Wald im Wandel braucht neue Strategien

Doch die Realität lässt sich nicht ausblenden. Wenn der Wald als natürlicher Klimaschützer ausfällt, kann sich das gesamte klimapolitische Fundament verschieben. In der Diskussion um Lösungen wird häufig von Waldumbau gesprochen – weg von instabilen Monokulturen, hin zu vielfältigen, widerstandsfähigeren Mischwäldern. Das ist ein Weg, der nicht von heute auf morgen beschritten werden kann, aber dringend notwendig erscheint. Auch der Umgang mit geschädigten Flächen, der Schutz von Waldböden und die Förderung natürlicher Verjüngung spielen eine Rolle – ebenso wie die Frage, wie viel Holz der Wald überhaupt liefern kann, ohne dabei seine ökologische Funktion einzubüßen.

Die Herausforderungen sind komplex, aber nicht unlösbar. Klar ist jedoch: Ohne eine grundlegende Veränderung im Umgang mit dem Wald wird es kaum gelingen, die nationalen und internationalen Klimaziele zu erreichen. Das bedeutet auch, sich von allzu einfachen Narrativen zu verabschieden. Der Wald ist kein ewiger Klimaretter – er braucht Schutz, Pflege und eine Politik, die seine Leistungen nicht als selbstverständlich betrachtet.

Was wir derzeit erleben, ist nicht weniger als ein ökologischer Warnruf. Der Wald, über Jahrhunderte Symbol für Beständigkeit und Naturverbundenheit, wird zum Indikator unserer klimapolitischen Versäumnisse. Und zugleich zu einem Prüfstein: Ob wir es schaffen, unsere Lebensweise so zu verändern, dass auch künftige Generationen noch in einem Wald spazieren können, der nicht nur rauscht – sondern atmet.

via Universität Freiburg

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