Im Alter lässt die Fähigkeit nach, in der Nähe scharf zu sehen – ein Zustand, der als Presbyopie oder Altersweitsichtigkeit bekannt ist. Bislang war die Lösung meist: Lesebrille aufsetzen. Neue Forschungsergebnisse lassen nun aber Hoffnung aufkommen, dass Augentropfen diese Brille zumindest teilweise überflüssig machen könnten. Warum das spannend ist, wie gesicherte Ergebnisse aussehen und wo noch offene Fragen sind, zeigt sich anhand aktueller Studien und Entwicklungen.


Symbolbild

Augentropfen kombinieren mehrere Wirkmechanismen

Presbyopie entsteht, weil die Linse im Auge mit zunehmendem Alter immer weniger flexibel wird und der Akkommodationsmuskel nicht mehr so gut arbeiten kann. Die neue Tropfentherapie nutzt mehrere Wirkmechanismen. Ein zentraler Wirkstoff ist Pilocarpin, ein Mittel, das die Pupille verengt und den Ziliarmuskel aktiviert, was helfen kann, den Nahbereich wieder schärfer wahrzunehmen. Gleichzeitig wird häufig ein nicht-steroidales Entzündungshemmungsmittel eingesetzt – z. B. Diclofenac –, um Nebenwirkungen wie Irritationen zu mildern.

Ein Beispiel einer solchen Kombination ist die „Benozzi-Methode“: Patienten applizieren zweimal täglich Tropfen, einmal morgens beim Aufwachen, dann etwa sechs Stunden später. In einer retrospektiven Studie mit über 900 Personen, deren durchschnittliches Alter bei ca. 48–49 Jahren lag, verbesserte sich über acht Jahre hinweg die unkorregierte Nahsehschärfe deutlich, ohne dass die Fernsicht merklich verschlechterte.


Neue Studien erforschen Wirksamkeit der Tropfen

Eine aktuelle Studie, vorgestellt beim Kongress der European Society of Cataract and Refractive Surgeons, untersuchte 766 Patient:innen mit Presbyopie in Argentinien. Drei Gruppen bekamen jeweils Augentropfen mit festem Diclofenac-Anteil und unterschiedlicher Pilocarpin-Konzentration (1 %, 2 %, 3 %). Eine Stunde nach der ersten Gabe zeigten alle Gruppen Verbesserungen auf einer Jaeger-Tafel (einer Skala zur Bestimmung der Nahsehschärfe). Im 3 %-Pilocarpin-Arm konnten 84 % der Teilnehmer drei oder mehr Linien dazukriegen. Auch über einen längeren Zeitraum (bis zu zwei Jahre) blieb die Wirkung bei vielen erhalten. Häufige, aber milde Nebenwirkungen waren vorübergehende Abdunkelung des Sehens, leichter Kopfschmerz oder Reizungen beim Tropfen.

Eine andere aktuelle Entwicklung ist das Augentropfenpräparat „VIZZ“, das in den USA zugelassen wurde. Diese Tropfen basieren auf Aceclidin und wirken hauptsächlich über eine Pupillenverengung („Pinhole-Effekt“), wodurch die Nahsehschärfe für bis zu etwa zehn Stunden verbessert sein soll.

Allerdings sind nicht alle Studien gleich stark. Die meisten sind retrospektiv oder nicht randomisiert, viele mit Patient:innen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen (z. B. Emmetropie – keine oder geringe Brechungsfehler in der Ferne). Außerdem weiß man noch nicht ausreichend, wie sich langfristige Anwendung auf Augenstrukturen wie Hornhaut oder Netzhaut auswirkt, vor allem bei Menschen mit Vorerkrankungen.

Alternative zur Lesebrille?

Die Aussicht, künftig auf eine Lesebrille verzichten zu können, ist für viele eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität. Besonders Alltagsaktivitäten wie Lesen, Arbeiten am Bildschirm oder das Ablesen von Dingen in der Nähe könnten einfacher werden. Für Menschen, die Brillen lästig finden oder bestimmte chirurgische Eingriffe nicht möchten, bieten die Tropfen eine weniger invasive Alternative.

Gleichzeitig müssen gesundheitliche Aspekte mitgedacht werden. Veränderungen der Pupillenweite können in dunkleren Umgebungen zu schlechterem Sehen führen. Wenn Pupille zu stark verengt ist, fällt bei wenig Licht Lichtzufluss weg, was z. B. beim Autofahren problematisch sein könnte. Langzeitwirkungen wie Risiko für Netzhautablösungen sind bislang nicht sicher dokumentiert, daher wird in manchen Studien empfohlen, vor der Anwendung den Augenhintergrund zu untersuchen.

Ferner hängt die Wirkung stark von der gewählten Wirkstoffkonzentration ab: Leichtere Presbyopie kann oft mit niedrigeren Konzentrationen ausreichend verbessert werden, bei stärkerer Einschränkung sind höhere Konzentrationen nötig – allerdings steigt mit der Wirkung oft auch das Risiko für Nebenwirkungen.

In Summe zeigen die aktuellen Studien, dass Augentropfen mit Mitteln wie Pilocarpin, Aceclidin oder in Kombination mit NSAIDs eine echte Alternative zur Lesebrille sein könnten – zumindest für viele Betroffene. Allerdings sind noch nicht alle Fragen geklärt, insbesondere Langzeitdaten und Sicherheit bei verschiedenen Personengruppen. Es liegt nahe, dass solche Tropfen in naher Zukunft eine Rolle in der Augenheilkunde spielen werden, doch Brille oder Operation bleiben vorerst wichtige Optionen im Gesamtangebot.

via ESCRS

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