Der menschliche Körper hat seinen eigenen Rhythmus, morgens passieren beispielsweise deutlich mehr Herzinfarkte, am Nachmittag ist das Schmerzimpfen größer als morgens. Wer genauer hinschaut, entdeckt noch viel mehr zeitabhängige Besonderheiten, allgemein oder ganz individuell an sich selbst. Wenn Therapien sich nach dem tatsächlich 24-Stunden-Rhythmus des Menschen richten, nennt sich das »Chronomedizin«. Und die scheint hoch effektiv.


Die innere Uhr entscheidet!

Schmerzen, Blutdruck, Temperatur ändern sich im Tagesverlauf

Leider ist die Chronomedizin derzeit in Deutschland nicht besonders weit entwickelt, doch lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Denn wenn die Körperfunktionen sich tatsächlich im Tagesverlauf verändern, dann macht es sehr viel Sinn, eine Medikamentierung daran anzupassen. Aber auch die Diagnostik wird von den verschiedenen körperlichen Zuständen direkt beeinflusst. Blutdruck und Temperatur schwanken über den Tag, gegen 18 Uhr ist der Körper normalerweise besonders warm — um 4 oder 5 Uhr morgens liegt dann der Tiefpunkt. Wer am frühen Abend also 38 Grad Celsius misst, stellt damit eine leicht erhöhte Temperatur fest. Morgens früh im Bett ließe sich das schon als Fieber bezeichnen. Wer sich vormittags den Fuß stößt, der leidet mehr, als wenn dasselbe nachmittags geschehen wäre. Der Unterschied liegt bei ungefähr einem Drittel. Die körpereigenen Opioide und Endorphine kreisen am Nachmittag besonders stark. Schmerzmittel deutlich besser am Abend als am Morgen.

Medikamente sind zu bestimmten Zeiten besonders wirksam

Wer Rheuma hat, wird wissen, dass der Entzündungshemmer Cortisol in den sehr frühen Morgenstunden besonders wirksam ist, weil die Entzündungen etwas später, beim Aufstehen, hochkochen. Bis dahin hat das Mittel dann Zeit zum Wirken. Präparate mit zeitverzögerter Cortisol-Abgabe könnten am Abend »auf Vorrat« eingenommen werden, um sich nicht für 3 oder 4 Uhr den Wecker stellen zu müssen. Statine, die den Cholesterinspiegel senken, sollen hingegen bei abendlicher Einnahme auffällig effektiv sein. Das fand 2017 ein Wissenschaftlerteam heraus, das elf Studien zu diesem Thema analysierte und zusammenfasste.


Wenn der Arzt also ein bestimmtes Medikament für einen individuell angepassten Zeitpunkt verordnet, kann sich die Wirkung stark verbessern. So werden vielleicht sogar niedrigere Dosierungen möglich. Die verschiedenen Chronotypen stellten Forschende der Charité mit Hilfe von Bluttests fest, auch Haartests waren erfolgreich. Eine systematische Erforschung der Chronomedizin mit Anpassung medizinischer Standards fehlt derzeit noch, doch das Thema gelangt nun immerhin in die breite Diskussion. Wahrscheinlich ließe sich vieles verbessern, wenn Tageszeit und Biorhythmus mehr Beachtung fänden.

Quelle: spektrum.de

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