Eigentlich sind die Einwohner Floridas starke und teilweise zerstörerische Winde durchaus gewöhnt. Hurrikan Ian stellte Ende des vergangenen Monats aber auch hier noch einmal besondere Stufe dar. Die Bilder von beinahe komplett zerstörten Ortschaften gingen um die Welt. Für Hilfsorganisationen ist es in solchen Situationen oftmals schwer, die am heftigsten betroffenen Personen schnell und unbürokratisch zu erreichen. In Florida wurde daher ein noch vergleichsweise neues Verfahren erprobt. So setzte die Organisation Givedirectly für die Auszahlung von sofortigen Hilfszahlungen auf die Unterstützung eines Algorithmus. Konkret ging es um 700 Dollar, die an insgesamt 3.500 Personen ausgezahlt werden sollten. Nun galt es zu entscheiden, wer das Geld am dringendsten benötigte. Hierfür wurde zunächst ein Tool namens Skai verwendet, das Satellitenbilder von vor und nach der Katastrophe mithilfe von künstlicher Intelligenz auswertete. So konnten sehr schnell die am stärksten betroffenen Gebäude und Gebiete ermittelt werden.


Bild: David Dellinger (Port Meteorological Officer for the National Weather Service of Miami, Florida), Public domain, via Wikimedia Commons

Die Treffsicherheit der Analyse liegt bei 85 bis 98 Prozent

Anschließend kam ein Tool namens Delphi zum Einsatz, das verschiedene Daten zum Thema Armut auswertet. Diese Daten wurden dann ebenfalls auf das Krisengebiet projiziert. Anschließend wurden die beiden so erstellten Karten virtuell übereinander gelegt. Gesucht wurde dann gezielt nach Punkten, an denen sich vergleichsweise hohe Armut mit großen Zerstörungen überschnitten. Ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge kann auf diese Weise eine Treffsicherheit von 85 bis 98 Prozent erzielt werden. Für eine solch unübersichtliche Situation direkt nach einer Naturkatastrophe sind dies sehr gute Werte. Givedirectly hatte das System zuvor schon einmal in Togo zum Einsatz gebracht. Nun fand der erste Test in den Vereinigten Staaten statt. Informiert wurden die ausgewählten Personen per Pushnachricht über die App Providers, die eigentlich die Ausgabe von Lebensmittelcoupons steuert. Immerhin 900 Personen haben diese schnelle und unkomplizierte Hilfe bisher in Anspruch genommen.

Senioren ohne Smartphone können nicht erreicht werden

Experten sehen den neuen Ansatz in der Katastrophen-Nothilfe allerdings mit gemischten Gefühlen. Gelobt wird einerseits die Schnelligkeit der Auswertung und der proaktive Ansatz. Betroffene müssen also nicht um Hilfe ersuchen, sondern werden gezielt unterstützt. Dies erspart den Personen viel Zeit und Arbeit. Auf der anderen Seite steht aber vor allem die Information und Auszahlung über das Smartphone in der Kritik. Denn dies könnte zur Folge haben, dass bestimmte Personengruppen überdurchschnittlich oft von den Hilfszahlungen ausgeschlossen sind. Problematisch dürften hier vor allem Senioren ohne eigenes Smartphone sein. Theoretisch wäre zukünftig aber auch ein kombiniertes Vorgehen denkbar. Dabei würden Personen, die nicht auf die Pushnachricht reagiert haben, dann noch einmal persönlich aufgesucht und angesprochen. Ohnehin stellen die Geldzahlungen nur einen Teil der Katastrophenhilfe dar. Dieser aber könnte zukünftig mithilfe der Algorithmen effizienter gestaltet werden.


Via: Wired

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