Die Quantentechnologien stehen derzeit an einem Scheideweg: Von faszinierenden Laborversuchen bewegen sie sich langsam in Richtung realer Anwendungen — doch ein vollständiger Einsatz im Alltag bleibt mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Ein aktueller Überblick von Forscher:innen der University of Chicago verdeutlicht, was bereits geschafft ist, wo die Hürden liegen und weshalb es noch ein bisschen dauern könnte, bis Quantencomputer, Quantenkommunikation oder Quantensensorik Teil des täglichen Lebens werden. Vom Labor ins Technologielabor — und darüber hinaus In den letzten zehn Jahren haben sich Quantentechnologien rasant weiterentwickelt. Was einst vor allem theoretisch war, hat sich in einigen Fällen zu funktionierenden Prototypen entwickelt: Systeme, die quantenmechanische Phänomene tatsächlich nutzen, existieren — und in Teilen zeigen sich sogar erste praktische Anwendungen. Das unterstreicht, dass die zugrundeliegenden physikalischen Prinzipien inzwischen etabliert und verstanden sind. Forscher:innen vergleichen diese Entwicklung mit einer Art «Frühzeit des Transistors»: Die Technologie hat Potenzial, aber erst der Übergang von experimentellen Einzelstücken zu breit verfügbaren, industriell gefertigten Systemen steht bevor. In der aktuellen Studie werden sechs führende Hardware-Plattformen bewertet — darunter supraleitende Qubits, gefangene Ionen, spinbasierte Defektzentren oder photonische Qubits — hinsichtlich ihrer Einsatzreife. Für manche Anwendungen sind bereits Ansätze vorhanden, beispielsweise bei Quantencomputing, Quantensimulation, Quantenkommunikation oder Quantensensorik. Doch die Forscher:innen warnen: „Ein hoher Reifegrad heute heißt nicht, dass das Ziel erreicht ist“, wie es Ihnen mit Blick auf heutige klassische Computerchips (in den 1970er-Jahren) ähnlich gegangen sei. Woran Quantentechnologien noch scheitern — und was nötig wäre Die zentrale Herausforderung liegt im Skalieren. Damit ein Quantencomputer oder ein Quantennetz tatsächlich alltagstauglich wird, muss er Millionen von Qubits nutzen — bei einer Fehleranfälligkeit, die weit unter dem liegt, was aktuell technisch möglich ist. In vielen Konzepten werden zusätzliche Qubits oder Fehlerkorrekturmaßnahmen benötigt, was den Aufwand drastisch erhöht. Ein Problemfeld liegt in der Herstellung. Es braucht Materialien und Fertigungsprozesse, die nicht nur im Labor funktionieren, sondern zuverlässig, reproduzierbar und kostengünstig in großer Stückzahl produziert werden können. Daneben gibt es technische Hürden: Viele bestehende Systeme erfordern aufwendige Verkabelung — je Qubit eine eigene Steuer- und Signalleitung, was bei Tausenden oder Millionen von Qubits unpraktikabel wird. Alternativen wie Multiplexing oder eine stärkere Integration der Steuerungselektronik sind theoretisch möglich, aber technisch noch nicht ausgereift. Auch der Energiebedarf und die Umweltbedingungen sind problematisch. Manche Ansätze funktionieren nur bei extrem niedrigen Temperaturen, andere benötigen komplexe Laser- oder Kühltechnik. Damit wäre ein Einsatz außerhalb spezialisierter Labore auf absehbare Zeit kaum denkbar. Und selbst wenn Hardware und Umweltanforderungen irgendwann bewältigt sind — bleibt die Frage nach einer sinnvollen Skalierung und robusten Fehlerkontrolle. Warum Geduld gefragt ist — und was das für die nächsten Jahre bedeutet Die historische Entwicklung klassischer Computer zeigt, dass große technologische Sprünge oft Jahrzehnte dauern. Neue Materialien, Fertigungsmethoden, Standardisierungen und Industrieprozesse entwickeln sich langsamer als einzelne wissenschaftliche Durchbrüche. Ähnlich müsse bei Quantentechnologien mit einem langwierigen Übergang von Prototypen zu serienreifer Technik gerechnet werden. Dennoch bestehen reale Chancen: Dort, wo spezielle Anwendungen gefragt sind — etwa besonders präzise Sensorik, sichere Kommunikation oder Simulation komplizierter Molekülstrukturen — könnten quantenbasierte Systeme früher Fuß fassen. Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und öffentlichen Förderern ist ein wesentlicher Faktor: Nur durch breite Kooperation kann aus Laborergebnissen marktreife Technologie werden. Laut den Autor:innen der Studie könnte dieser „technologische Wandel“ in den kommenden Jahren beginnen — wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Unterm Strich heißt das: Quantentechnologien sind auf dem Weg, aber es ist noch ein weiter Weg. Die Grundlagen sind gelegt, die ersten Hürden sichtbar — und der Weg zum Alltag führt über viele Zwischenschritte. Wer mit dem Ziel rechnet, in naher Zukunft einen Quanten-PC zu Hause oder ein Quanteninternet ähnlich dem heutigen Funknetz zu nutzen, sollte realistisch bleiben. Doch wer etwa an besonders empfindliche Sensorik oder spezialisierte Anwendungen denkt, darf in gewisser Weise optimistisch sein. Eine technologische Revolution — aber wahrscheinlich eher graduell als plötzlich. In den Worten der Forschenden heißt das: Der Übergang von Forschung zu breit einsetzbaren Technologien erfordert Zeit, systematisches Engineering und vor allem Geduld. Denn der Quantensprung ist längst gemacht — der Weg zum Alltag bleibt aufregend und verlangt Durchhaltevermögen. via University of Chicago Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter