Es ist ein wissenschaftlicher Meilenstein, der künftige Quantentechnologien auf völlig neues Terrain führen könnte: Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, erstmals ein Qubit aus Antimaterie zu erzeugen. Konkret handelt es sich um ein Antiproton, das sich in einem quantenmechanischen Überlagerungszustand befindet – also gleichzeitig in zwei verschiedenen Energiezuständen existiert. Damit wird ein physikalisches Konzept Realität, das bisher nur theoretisch diskutiert wurde: die Nutzung von Antimaterie als Informationsspeicher im Quantenmaßstab. Ein Antiproton als Quanteninformationsträger Qubits – die kleinste Informationseinheit in einem Quantencomputer – sind bislang meist physikalische Systeme wie supraleitende Stromkreise, Ionen oder Photonen. In diesem Fall jedoch besteht das Qubit aus einem einzelnen Antiproton, also der Antimaterie-Version des Protons. Es wurde in einer sogenannten Penning-Falle isoliert – einer raffinierten Apparatur, die mithilfe starker Magnet- und Elektrofelder geladene Teilchen nahezu bewegungslos im Raum fixieren kann. Die Forscher:innen manipulierten das Antiproton mit hochfrequenten Mikrowellenfeldern so, dass es sich in einem quantenmechanischen Überlagerungszustand zweier Energielevel befindet. Das heißt: Das Teilchen war gleichzeitig in einem niedrigeren und einem höheren Energiezustand – ein typisches Merkmal für ein Qubit in einem Superpositionszustand. Dieser Zustand konnte nicht nur hergestellt, sondern auch über längere Zeit stabil gehalten und mit hoher Präzision vermessen werden. Ein technischer und konzeptioneller Durchbruch Die Bedeutung dieser Arbeit liegt nicht nur in der Machbarkeit selbst, sondern auch in der Erkenntnis, dass Antimaterie den Prinzipien der Quantenmechanik ebenso exakt folgt wie gewöhnliche Materie. Möglich wurde der Versuch durch das BASE-Experiment am europäischen Teilchenforschungszentrum CERN. Beteiligt waren neben dem CERN auch die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie weitere Partner aus Deutschland, Japan und der Schweiz. Die Experimente zeigen, dass sich die Energiezustände von Antiprotonen mit einer Genauigkeit von bis zu 1,5 Milliardenstel detektieren lassen – ein Niveau, das klassische physikalische Systeme kaum erreichen. Diese extreme Messgenauigkeit macht Antimaterie zu einem vielversprechenden Kandidaten für hochpräzise Tests fundamentaler Naturgesetze – etwa zur Überprüfung der sogenannten CPT-Symmetrie, einer der Grundpfeiler des physikalischen Standardmodells. Mehr als nur ein Experiment Antimaterie fasziniert die Forschung seit Jahrzehnten – nicht nur wegen ihrer physikalischen Exotik, sondern auch wegen ihrer fundamentalen Rolle im Universum. Warum besteht unsere Welt fast ausschließlich aus Materie, obwohl im Urknall Materie und Antimaterie zu gleichen Teilen entstanden sein müssten? Die Suche nach Antworten auf diese Frage ist eng verknüpft mit der präzisen Untersuchung von Antiteilchen. Dass ein einzelnes Antiproton nun als kontrollierbares Quantenbit fungieren kann, eröffnet ganz neue Perspektiven. Zum einen erlaubt es Experimente mit bislang unerreichter Präzision. Zum anderen rückt – zumindest theoretisch – die Idee näher, dass auch exotische Materieformen in zukünftigen Quantentechnologien eine Rolle spielen könnten. Zwar sind praktische Anwendungen aktuell noch utopisch, da die Erzeugung und Speicherung von Antimaterie extrem aufwendig und energieintensiv ist. Doch das Beispiel zeigt, wie weitreichend der Fortschritt in der Quantenphysik inzwischen ist. Perspektiven jenseits des Machbaren? Auch wenn ein Antimaterie-Qubit derzeit weit entfernt von einer technischen Nutzung ist, wirft die Entdeckung spannende Fragen für die Zukunft der Quantentechnologie auf. Antimaterie ist aufgrund ihrer Seltenheit und Instabilität schwer zu handhaben – sobald sie mit normaler Materie in Kontakt kommt, vernichtet sie sich in einem Energiestoß. Dennoch zeigt das Experiment, dass solche Teilchen nicht nur stabil kontrollierbar, sondern auch quantenlogisch nutzbar sind. Für die Grundlagenforschung ist dieser Schritt eine kleine Revolution. Er beweist, dass sich auch Antiteilchen in die Logik der Quanteninformation integrieren lassen – ein bislang unerforschter Pfad, der neue Spielräume für Theorien und Technologien eröffnet. via Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter