Bitterfeld hat in den letzten Jahrzehnten viele Wendungen erlebt. Zunächst galt man nach dem Ende der DDR-Schwerindustrie als schmutzigste Stadt Europas. Anschließend gelang es nicht nur, die Umweltschäden nach und nach zu beseitigen, sondern auch eine vermeintliche Zukunftsindustrie anzulocken. In der Stadt entstanden riesige Solarparks und gleich mehrer Firmen der Branche eröffneten Produktionsstätten. Die Stadt warb offiziell mit dem Titel „Solar Valley“ und freute sich über 3.000 neue Arbeitsplätze sowie sprudelnde Steuereinnahmen. Doch das Ende kam schneller als erwartet. Denn es stellte sich heraus, dass Solarmodule deutlich günstiger in Asien produziert werden konnten. Die dortigen Anbieter überfluteten daher den deutschen Markt und sorgten für ein jähes Ende der vermeintlichen Erfolgsgeschichte. In Bitterfeld blieben zunächst lediglich riesige leerstehende Lagerhallen zurück.


Meyer Burger stellt bisher lediglich Maschinen her

Doch genau diese könnten sich nun als Standortvorteil erweisen. Denn die Schweizer Firma Meyer Burger hat angekündigt, die vorhandene Infrastruktur zu nutzen, um dort wieder Solarzellen zu produzieren. Im sächsischen Freiberg sollen daraus dann Solarmodule werden. Auf den ersten Blick erscheint diese Ankündigung gleich dreifach merkwürdig. Denn zum einen produziert Meyer Burger bisher selbst gar keine Solarmodule, sondern lediglich die für die Herstellung nötigen Maschinen. Zum anderen befindet sich der Konzern selbst in der Krise und musste zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Und zu guter Letzt hat sich an der Struktur des Marktes wenig geändert: Es dominieren asiatische Anbieter, die sehr niedrige Produktionskosten haben. Die Manager von Meyer Burger wissen all dies natürlich auch und verweisen daher auf einen weiteren Aspekt: Den technologischen Fortschritt. So soll es den Ingenieuren der Firma gelungen sein, den Wirkungsgrad der Module signifikant zu erhöhen.


Drei Jahre technologischer Vorsprung sollen genutzt werden

Auf einem Quadratmeter können dadurch anstatt bisher 200 Watt zukünftig 220 Watt Solarstrom gewonnen werden. Das Fraunhofer Institut kam in einer Analyse zu dem Schluss, dass die Firma dadurch einen technologischen Vorsprung von rund drei Jahren besitzt. Dieser soll nun genutzt werden, um in Europa eine eigene Fertigung aufzubauen. Die Produktion nach Asien zu verlagern kam für die Unternehmensführung hingegen nicht infrage. Denn dort hat man schlechte Erfahrungen gemacht, weil vermeintliche Kunden und Partnerunternehmen irgendwann angefangen haben, die eigenen Maschinen einfach zu kopieren. Diesmal soll das Knowhow daher in Europa verbleiben. Experten betrachten die Pläne des Konzerns dennoch mit einer gewissen Skepsis. Denn die eigene Produktion lohnt sich nur, solange auch der technologische Vorsprung gehalten werden kann. Dafür aber sind konstant hohe Investitionen notwendig.

Bitterfeld setzt auf Vielfalt in der Industrie

In Bitterfeld wiederum hat man aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt. Zwar freut man sich dort grundsätzlich über die geplanten Investitionen und die entstehenden Arbeitsplätze. Die Landesregierung hat zudem Fördergelder in Aussicht gestellt. Gleichzeitig will man eine zu große Abhängigkeit von einer Branche aber unter allen Umständen vermeiden. Auf dem Gelände des Industriegebiets, das früher das Herzstück des Solar Valley bildete, wurden daher Firmen aus ganz unterschiedlichen Industrien angesiedelt. So gibt es dort nun unter anderem eine Papierfabrik sowie einen Standort zur Batterieproduktion. Die Solarindustrie darf also gerne zurückkommen, wird inzwischen vor Ort aber mit einer gewissen Zurückhaltung empfangen. Es wird sich zeigen, ob es der Schweizer Firma gelingen wird, diese Skepsis zu widerlegen.

Via: Die Zeit

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