Über Jahrhunderte dienten die Weltmeere der Menschheit als eine Art riesige Mülldeponie. Die Entsorgung geschah dabei mehr oder weniger nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Mittlerweile hat hier aber grundsätzlich ein Umdenken eingesetzt. So sind Meeresdeponien für Grubenabfälle eigentlich weltweit verboten. Wer also eine Mine betreibt oder sonstige Erdarbeiten durchführt, darf den Abraum nicht einfach im Meer versenken. Allerdings gilt auch hier: Keine Regel ohne Ausnahme. Denn mit Papua-Neuguinea und Norwegen gibt es noch immer zwei Länder, die bisher kein entsprechendes Verbot erlassen haben. Dies könnte nun dem eigentlich geschützten Førdefjord zum Verhängnis werden. Der Hintergrund: Am Uferberg nördlich der Stadt Bergen soll zukünftig Rutil abgebaut werden. Der Rohstoff wird unter anderem als Farbpigment verwendet und kommt bei einigen Solarzellen zum Einsatz. Der Abbau wird allerdings auch elf Tonnen Abraum pro Minute verursachen.


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Giftstoffe könnten in die menschliche Nahrungskette gelangen

Die hinter dem Projekt stehenden Unternehmen haben nun alle erforderlichen Genehmigungen erhalten, um diese Grubenabfälle einfach in den Fjord zu kippen. Umweltschützer und Experten sehen dies extrem kritisch. Selbst das staatliche Meeresforschungsinstitut rät dringend von einem solchen Vorgehen ab. Denn es handelt sich keineswegs nur um Erde und Gestein. Vielmehr enthält der Abraum Schwefelsäure, Schwermetalle, Titan-Nanopartikel und zahlreiche weitere bedenkliche Stoffe. Es liegt daher der Verdacht nahe, dass nicht nur das Ökosystem innerhalb des Fjords massiv gestört werden könnte. Stattdessen drohen sich sogar Giftstoffe im Atlantik auszubreiten. Früher oder später könnten sie dann auch in die menschliche Nahrungskette gelangen. Folgerichtig spricht sich auch die große Mehrheit der Norweger gegen das Vorgehen aus. In einer Umfrage sprachen sich nur neun Prozent der Einwohner für solche Fjorddeponien aus. Achtzig Prozent lehnten entsprechende Projekte hingegen ab.

Die Wasserdirektive der Europäischen Union könnte zum Rettungsanker werden

Allerdings spielen Umfragen bei rechtlichen Fragen eher eine untergeordnete Rolle. Zumal das norwegische Parlament den Abbau und die Entsorgung per Mehrheitsbeschluss abgesegnet hat. Die ersten Bauarbeiten sollen daher zeitnah beginnen. Umweltschützer haben allerdings bereits massive Proteste vor Ort angekündigt. Auch rechtlich gehen sie weiter gegen das Projekt vor. Im Zentrum steht hier die Wasserdirektive der Europäischen Union. Norwegen ist zwar kein EU-Mitglied, wohl aber Teil des Europäischen Wirtschaftsraums EWR. Das Land ist daher grundsätzlich verpflichtet, die Bestimmungen der Richtlinie einzuhalten. Bei Streitfragen entscheidet die EFTA-Überwachungsbehörde ESA. Diese hat nun angekündigt, sich mit der Klage zu beschäftigen. Der Ausgang des Verfahrens ist aber selbst für Experten nur schwer zu prognostizieren. Sollte das Rutil dann doch abgebaut werden dürfen, wird ein Teil davon auch in Deutschland landen: Zu den Abnehmern gehört unter anderem das US-deutsche Unternehmen Kronos-International.


Via: Taz

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