Theoretisch kann man sich heute innerhalb von wenigen Minuten über jeden Krisenherd der Erde informieren. Faktisch leben wir allerdings in einer Aufmerksamkeitsökonomie. Bestimmte Themen drängen daher für eine gewisse Zeit in den Fokus – was wiederum dafür sorgt, dass andere Dinge weniger Beachtung finden. So wurde in den letzten Monaten extrem viel über die Corona-Krise und mögliche Auswirkungen berichtet. Andere humanitäre Katastrophen spielen sich hingegen fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit ab. Um dies zumindest ein wenig zu ändern, veröffentlicht der norwegische Flüchtlingsrat jedes Jahr eine Liste der sogenannten vergessenen Krisen. Dabei handelt es sich um Konflikte, bei denen es am politischen Willen zu einer Lösung mangelt, die kein mediales Interesse hervorrufen und bei denen auch die internationale Unterstützung nur marginal ausfällt.


Ein kamerunischer Soldat während einer Militärübung im Jahr 2014. Bild: SSG Kaily Brown / Public domain

Afrika ist besonders stark betroffen

Auf Platz eins landet wie bereits im Vorjahr Kamerun. Die Bevölkerung des Landes hat gleich unter drei Bedrohungen zu leiden. Zum einen kommt es immer wieder zu Anschlägen durch die Terrororganisation „Boko Haram“. Im Westen des Landes kämpft die Armee zudem mit verschiedenen bewaffneten Gruppierungen. Außerdem ist das Land von den Folgen der Flüchtlingskrise in Zentralafrika betroffen. Der seit dem Jahr 1982 regierende Präsident Paul Biya scheint nicht in der Lage, diese Probleme mit seiner Regierung alleine zu lösen. Gleichzeitig fehlt es aber auch an internationaler Aufmerksamkeit und Unterstützung. Mögliche Hilfen müssten zudem nicht nur Kamerun, sondern auch viele andere afrikanische Staaten in den Blick nehmen. Denn neun der zehn aufgeführten vergessenen Krisen spielen sich auf dem afrikanischen Kontinent ab. Konkret werden noch der Kongo, Burkina Faso, Burundi, Mali, der Südsudan, Nigeria, die Zentralafrikanische Republik und der Niger benannt.

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Venezuela ist wieder aus dem Fokus der Medien verschwunden

Lediglich auf Platz fünf befindet sich mit Venezuela noch ein südamerikanisches Land. Gleichzeitig handelt es sich hier aber auch um ein Beispiel dafür, wie aus einem viel beachteten Konflikt eine vergessene Krise werden kann. Denn Anfang des vergangenen Jahres wurde die Auseinandersetzung zwischen dem umstrittenen Präsidenten Nicolás Maduro und dem – unter anderem von Deutschland anerkannten -Interimspräsidenten Juan Guaidó weltweit beachtet. Eine Lösung konnte allerdings nicht gefunden werden, sodass die Auseinandersetzung irgendwann wieder aus dem Fokus verschwand. Am Leiden der Zivilbevölkerung änderte dies allerdings nichts. Dieses Beispiel zeigt somit auch: Internationale Aufmerksamkeit alleine sorgt noch nicht für das Ende einer Krise. In einigen afrikanischen Staaten ist zudem zu beobachten, wie schwierig es tatsächlich ist, Hilfe zu leisten. So bildet die Bundeswehr beispielsweise in Mali Soldaten aus.

Die Armeen sind oft Teil des Problems

Gleichzeitig weist Amnesty International aber darauf hin, dass die Armeen der Staaten keineswegs immer auf Seiten der Zivilbevölkerung stehen. Vielmehr werden sie von den Experten dort als Teil des Problems angesehen. So berichten Augenzeugen in Mali von einem Überfall der Armee auf zwei Dörfer. Dabei wurden 23 Bewohner getötet und der örtliche Markt geplündert. Es bedarf viel Geduld bei der Ausbildung neuer Soldaten bis solche Verhaltensweisen tatsächlich der Vergangenheit angehören. Eine Garantie für den Erfolg gibt es zudem nicht. Klar ist aber auch: Ohne internationale Hilfe und Aufmerksamkeit werden sich die zehn genannten Krisen vermutlich auch nicht lösen lassen. Der norwegische Flüchtlingsrat appelliert daher an die Weltöffentlichkeit und die Regierenden der reichen Länder sicher hier stärker zu engagieren.

Via: Norwegian Refugee Council

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