Wir planen Weltraum-Resorts und sorgen dafür, dass Mobiltelefone bald über künstliche Intelligenz verfügen. Wir entwickeln uns technisch rasant weiter, mit dem Ziel, unser Leben zu optimieren. Doch immer mehr Menschen klagen darüber, sich von diesem Streben überfordert zu fühlen. Es gibt einen Bereich, der einer grundsätzlichen Innovation bedarf, der ein Umdenken erfordert, nämlich die Art des Umgangs mit uns selbst und miteinander. Statt harter Fakten spielen die „soft skills“ in Unternehmen eine entscheidende Rolle, wenn es gilt, Missstände zu beseitigen. Für den Output sind nicht allein die äußeren Arbeitsbedingungen ausschlaggebend, sondern eben auch die persönlichen Einstellungen, inneren Haltungen und Verhaltens- und Denkweisen der Menschen, die im Unternehmen arbeiten.


Mangelnde Zeit führt zu mangelndem Verständnis

Zwischenmenschliche Zuwendung, soziale Akzeptanz und körperliche Nähe sind menschliche Grundbedürfnisse. Wir sehnen uns gleichermaßen nach Anerkennung und Zugehörigkeit. Hier ist der zwischenmenschliche Umgang ein entscheidender Faktor. Doch während wir sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter große Bedeutung zumessen und jedes noch so kleine Unternehmen meint, ein Facebook-Account sei unerlässlich, vernachlässigen wir die Art und Weise des direkten Miteinanders, Auge in Auge, Hand in Hand. Man schickt sich E-Mails, auch wenn der Kollege gleich nebenan sitzt. Führungskräfte eilen von Meeting zu Meeting, sehen dabei jedoch nicht, was direkt vor ihren Augen geschieht. Stets mangelt es an Zeit: Zeit, einander zuzuhören, nachzufragen, sich mitzuteilen. Es gilt, Vorgaben zu erfüllen – immer mehr in immer kürzerer Zeit schaffen. Die Konsequenzen kennen wir alle: Burn-out, psychosomatische Beschwerden, innere Kündigung u.ä., kurz der Ausfall des weichen Faktors Mensch. Mitarbeiter treten den Rückzug an, weil sie sich schlecht behandelt oder unverstanden fühlen, oft mangelhaft mit ihnen kommuniziert wird. Fast jeglicher Ärger im Job beruht auf Missverständnissen, die sich im direkten, offenen Gespräch miteinander häufig leicht ausräumen ließen. Ärger erzeugt oft eine Kettenreaktion: Wenn ich ärgerlich bin, behandle ich meist andere aus dieser Stimmung heraus unhöflich.


Gesunder Umgang bedeutet gesunde Mitarbeiter

Neben den gesundheitlichen Schäden, die durch mangelhaftes Beziehungsmanagement entsteht, generieren Unternehmen auch erheblichen wirtschaftlichen Schaden. Bei einigen setzt sich deshalb bereits die Erkenntnis durch: Die Wirtschaft profitiert dauerhaft mehr vom wertschätzenden Umgang mit Mitarbeitern als von der x-ten Produktinnovation. „Nach „ganz fest“ kommt „ganz lose“. Jeder Automechaniker weiß: eine Schraube, die sie besonders fest anknallen wollen, wird überdreht. Das Gewinde ist kaputt. Das gleiche geschieht mit Menschen, die überlastet werden“, sagt Dr. Michael Spitzbart, einer der bekanntesten Gesundheitsexperten Europas. „Führungskräfte in Unternehmen brauchen ein offenes Ohr sowie ein Gespür für die Mitarbeiter. Verantwortungsvolle Unternehmen und Führungskräfte sind langfristig an ihren Mitarbeitern interessiert und investieren in deren Gesundheit. Merke: Jeder der in eine effektive Gesundheitsvorsorge investierte spart vier Euro unnötiger Folgekosten.“ (Heimsoeth, 2015). Gesunde Führung bedeutet auch ein gesunder Umgang miteinander, geprägt von Respekt und Wertschätzung. Wer meint, dies könne man schon aus Zeitgründen getrost vernachlässigen, verliert auf Dauer mehr als sinnvoll investierte Zeit – nämlich Loyalität, Stabilität, Wachstum und Weiterentwicklung. Wir müssen den Beziehungen wieder mehr Beachtung schenken, um herrschende Probleme zu bewältigen.

Wertschätzung als Wirtschaftsfaktor

„Überall dort, wo eine von Wertschätzung und Achtsamkeit im Umgang miteinander bestimmte Beziehungskultur entstanden ist, wo alle Mitarbeiter eines Unternehmens an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Ziel verfolgen, stellt sich auch der wirtschaftliche Erfolg als Resultat dieses gemeinsamen Bestrebens über kurz oder lang ein“, sagt der renommierte Hirnforscher Gerald Hüther (Purps-Pardigol, 2015). Hüther sieht in einem veränderten Beziehungsmanagement die anstehende Basisinnovation dieses Jahrtausends. Es sei wichtig für Unternehmen, dass Mitarbeiter die Freude am eigenen Denken und am gemeinsamen Gestalten nicht verlieren. Es brauche eine andere innere Einstellung, eine andere Art und Weise des Umgangs miteinander, so Hüther weiter. Dem kann ich mich aus den Erfahrungen meiner Coaching-Praxis nur anschließen. Die Erkenntnisse der Positiven Psychologie, der Glücks- und Resilienzforschung sind eindeutig: Durch unsere Beziehungen können wir unser Umfeld verändern und Glück schaffen. Freude und Zufriedenheit gelten als Schlüsselfaktoren für Gesundheit, Produktivität und Kreativität. Untersuchungen aus den Bereichen der Neurobiologie, der Psychologie und aus den Wirtschaftswissenschaften machen deutlich: Es gibt einen Zusammenhang zwischen glücklichen Mitarbeitern und besseren wirtschaftlichen Ergebnissen (Harvard Business Review, Januar/Februar 2012, S. 77).

Glück ist auch eine Frage der Wahrnehmung

Und zum persönlich empfundenen Glück trägt eben auch die Art und Weise des Beziehungsmanagements bei, das wir erleben und selbst ausüben. Alles, was wir erleben, interpretieren und bewerten wir. Wir können unser Glück selbst gestalten. Merke: Ich kann andere nicht ändern, aber meine Art, sie zu wahrzunehmen. Wie sehe ich als Mitarbeiter den Chef? Hat der Chef aus meiner Sicht den Chefsessel verdient? Wie sehe ich als Chef den Mitarbeiter? Nehme ich seine Stärken wahr oder fallen mir in erster Linie seine Fehler auf? Weil unser Fokus von Natur aus stärker auf das Negative ausgerichtet ist, im Sinne einer rechtzeitigen Gefahrenabschätzung, sind wir auch in Beziehungen davon beeinflusst. Im Allgemeinen braucht es fünf positive Interaktionen des Gegenübers, um eine von mir als negativ empfundene Interaktion des Gegenübers in meiner Wahrnehmung wieder auszugleichen. Was hilft, ist nach dem Guten zu suchen, es wahrzunehmen und sich davon berühren zu lassen. Und wo finde ich das Gute? Weniger in E-Mails und nüchternen Fakten, sondern vielmehr im Austausch, im Einlassen auf den anderen. Dazu gehört Mut und Bereitschaft – aber nur wer diesen Weg als Unternehmen kultiviert, ist nachhaltig zukunftsfähig.

Über die Autorin

Antje Heimsoeth, Expertin für Selbstführung, Mentale Stärke und Motivation, Dipl. Ing. (FH), gehört zu den bekanntesten Mental Coaches und Vortragsrednerinnen im deutschsprachigen Raum. Seit 2003 führt sie in Rosenheim ihr Institut, die SportNLPAcademy® und Leadership Academy, wo sie Seminare, Ausbildungen und Coachings in den Bereichen Business, Gesundheit und Sport anbietet. International tätig. Sie wurde als „Vortragsrednerin des Jahres 2014“ ausgezeichnet. TV Auftritte bei Sport1, hamburg1, BR und Sky sowie auf AIDA. Ihr Praxiswissen hat Antje Heimsoeth bereits in mehreren Büchern niedergeschrieben. Ihr neuestes Werk „Chefsache Kopf. Mit mentaler und emotionaler Stärke zu mehr Führungskompetenz“ (Springer Gabler, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-05774-9) zählt bereits zu den Bestsellern unter den Motivationsbüchern.

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