Der Einsatz von Antibiotika rettet jeden Tag unzählige Menschenleben. Gleichzeitig gerät diese Erfolgsgeschichte aber immer stärker in Gefahr. Denn zu häufige Verschreibungen sowie der teilweise prophylaktische Einsatz in der Tierzucht haben für die zunehmende Ausbreitung von resistenten Keimen gesorgt. Selbst die lange Zeit in der Hinterhand gehaltenen Reserveantibiotika wirken teilweise nicht mehr. Das Ergebnis: Im Jahr 2019 starben weltweit alleine 1,2 Millionen Menschen an sogenannten Krankenhauskeimen. Eine mögliche Gegenmaßnahme wäre die Entwicklung von neuen Antibiotika. In der Praxis allerdings wagen sich nur wenige Pharmafirmen an dieses Themenfeld heran. Zu unsicher ist, ob sich damit später einmal Geld verdienen lässt. Denn neu entwickelte Antibiotika werden zunächst für die Fälle reserviert, in denen die klassischen Produkte nicht helfen. Forscher der Universität Wisconsin-Madison in den Vereinigten Staaten setzen daher auf einen anderen Ansatz: Sie wollen chemisch die Kommunikation zwischen den einzelnen Keimen verhindern.


Bakterien im Urin
Antibiotika resistente Bakterien Bild: Mkaercher CC BY-SA 3.0 (VIA WIKIMEDIA COMMONS)

Bakterien sammeln sich und blasen dann zur Attacke

Um die Herangehensweise zu verstehen, muss man sich zunächst mit dem sogenannten Quorum Sensing beschäftigen. Denn Bakterien sind keineswegs immer alleine unterwegs. Vielmehr kommunizieren sie mithilfe von chemischen Molekülen. So geben sie Eiweißstoffe ab, wenn sie einen attraktiven Ort gefunden haben. In der Regel folgen dann andere Keime und senden ebenfalls chemische Signale. Dadurch intensiviert sich das Quorum Sensing immer weiter. Ab einer bestimmten Schwelle sorgt dies dann dafür, dass sich auch das Verhalten der Bakterien vor Ort ändert. Im schlimmsten Fall entstehen sogenannte Bakterienkolonien, in denen die einzelnen Keime nicht mehr frei umherwandern, sondern sich in einer Schicht aus extrazellulären Polymeren einschließen. Außerdem wird über das Quorum Sensing auch gesteuert, ab wann die Keime beginnen, den Wirt anzugreifen. Die Idee der US-Forscher: Wenn es gelänge, diese Kommunikation zwischen den Keimen zu unterbinden, verlören sie stark an Gefährlichkeit. Demonstriert haben sie ihren Ansatz bei den berüchtigten MRSA-Krankenhauskeimen.

Der Einsatz von Implantaten könnte sicherer werden

Durchgeführt wurde das Experiment bei Mäusen mit Hautabszessen. Diese bekamen jeweils ein künstliches Peptid direkt in die Wunde gespritzt. Dadurch wurde das „Accessory Gene Regulator-System“ der Keime gestört. Das Ergebnis: Die Infektion breitete sich nicht weiter aus und das Immunsystem der Tiere war in der Lage, das Problem endgültig zu lösen. Die Forscher gehen davon aus, dass der Trick nicht nur bei akuten, sondern auch bei chronischen Entzündungen hilft. Auch über präventive Einsatzmöglichkeiten wird nachgedacht. So stellen antibiotikaresistente Keime eine der größten Schwierigkeiten bei der Verwendung von Implantaten dar. Die Forscher könnten sich daher vorstellen, ihr Peptid in die Oberfläche von künstlichen Hüften oder Kniegelenken zu integrieren. Im Idealfall würde dadurch die Bildung eine Biofilms aus resistenten Keimen verhindert. Noch ist all dies allerdings Zukunftsmusik. Die Forscher müssen nun zunächst unter Beweis stellen, dass ihr Ansatz nicht nur bei Mäusen, sondern auch bei Menschen sicher funktioniert.


Via: Angewandte Chemie

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.